IN ISRAEL SIEGT GEWALT DER STÄRKEREN ÜBER RECHT DER SCHWÄCHEREN : Bush jung revidiert Bush alt
Brutal, hart und erfolgreich. Das ist Ariel Scharon. In seinem Leben als Militär und Politiker hat er stets nur ein Ziel verfolgt: die militärische Unterwerfung der Palästinenser und die Expansion des israelischen Staates. An Realismus hat es Scharon dabei jedoch nie gefehlt. Und seit der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens 1993 weiß Scharon, dass es keine Regelung mehr geben kann, bei der er alle 1967 besetzten Gebiete behält. Seit zehn Jahren verfolgt Scharon deshalb die Strategie eines „Mini-Palästina“, bestehend aus dem Gaza-Streifen und 45 Prozent des Westjordanlandes.
In dieser Politik hat ihm nun US-Präsident George Bush die Hand gereicht. Und damit eine bislang unausgesprochene Wende der amerikanischen Nahostpolitik zum politischen Faktum gemacht. Diese Wende bedeutet das Aus für Washingtons Rolle als „ehrlicher Makler“ im zuletzt nur noch virtuellen Friedensprozess. George Bush verspielt den Rest an Glaubwürdigkeit, den die USA im Nahen Osten vielleicht noch hätten beanspruchen können. Er attestiert den verbleibenden drei des einstigen Nahostquartetts, also den Europäern, der UNO und Russland, überdies, dass er ihre Rolle für marginal, wenn nicht überflüssig hält. Der Unilateralismus, den Scharon und Bush auf je eigene Weise gegenüber den Arabern und der Welt demonstrieren, schafft keinen Frieden, sondern schürt neue Konflikte, weil er Partnerschaft, Verhandlungen und Ausgleich, also diplomatische Lösungen, nicht mehr als Weg und Ziel formuliert.
Die USA treten das Völkerrecht mit Füßen, indem sie der Besiedlung der besetzten Gebiete ihren politischen Segen erteilen. Die USA ignorieren das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, indem sie sie als politisches Subjekt negieren und ihnen das Rückkehrrecht schlicht absprechen. Und die USA legitimieren durch Krieg und Eroberung geschaffene Fakten, indem sie sich dem Diktat Scharons unterwerfen. Die Botschaft ist ebenso simpel wie brutal: Die Gewalt des Stärkeren siegt über das Recht des Schwächeren. Mit der Friedenskonferenz von Madrid im Jahre 1991 hatte Bush senior eine entgegengesetzte Politik eingeleitet, die auf Verhandlungen und Verständigung setzte. Sein Sohn hat diese nun revidiert. GEORG BALTISSEN