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Archiv-Artikel

IN DER EU-FLÜCHTLINGSPOLITIK FOLGT OTTO SCHILY ITALIEN Die neue Achse

Ein paar Dutzend Baracken, jede von ihnen voll gestellt mit Pritschen, darum ein hoher Zaun: So werden sie wohl aussehen, die Einrichtungen für jene Elendsgestalten aus ganz Afrika, die sich bis nach Libyen durchgeschlagen haben. Aber wie soll man das Ganze nennen: Auffanglager? Abschiebecamp? Flüchtlingslager? Selbst die dritte Variante klingt noch entschieden zu grob. „Anlaufstellen“ möchte Otto Schily seit gestern die von ihm favorisierten Lager auf afrikanischem Boden genannt wissen.

Die neue Sprachregelung hat sich der deutsche Innenminister am Rande des G-5-Gipfels zur Flüchtlingspolitik in Florenz abgeschaut, und zwar bei seinem italienischen Kollegen Giuseppe Pisanu. Der redet immer schon von „Immigranten-Schaltern der EU“ in Libyen. Und schafft derweil die, die an den „Anlaufstellen“ in Italien ankommen, brachial aus dem Land.

Nichts zeigt besser, wie gut die Achse Deutschland–Italien in der Flüchtlingspolitik funktioniert. Sonst mögen sich die Schröder- und die Berlusconi-Regierung wenig zu sagen haben. Doch in Florenz kämpften Schily und Pisanu Schulter an Schulter für ihre Idee, Flüchtlinge schon in Afrika abzuweisen. Und sollte Rocco Buttiglione als EU-Innenkommissar bald für Flüchtlingsfragen zuständig werden, dann wäre die Fraktion derer weiter gestärkt, die solche „Anlaufstellen“ für das richtige Mittel gegen den Einwandererstrom halten.

Spanien und Frankreich ist es zu verdanken, dass der Vorstoß auch diesmal erfolglos blieb. Aber immerhin bis ganz nach oben auf die Tagesordnung des europäischen G-5-Treffens hat es der Pisanu-Schily-Plan schon geschafft, und mittlerweile debattiert die EU ganz ernsthaft über Lager in Marokko oder Libyen. Nicht diskutiert wurde dagegen in Florenz über die ruppigen Methoden, mit denen Italien schon jetzt per Massenabschiebung die Flüchtlingsfrage nach Afrika auslagert. Ein Vorgriff auf „europäische Lösungen“?

Über den lockeren Umgang mit Menschenrechten und Flüchtlingskonventionen mag sich der UN-Flüchtlingskommissar aufregen. Europa tut das schon jetzt nicht mehr. MICHAEL BRAUN