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Archiv-Artikel

IN DEN USA ÄNDERT SICH LANGSAM DER UMGANG MIT DEM TERRORISMUS Bürger sind wieder wer

Mit zwei aktuellen Urteilen haben Gerichte in den USA an der Autorität der Regierung Bush gerüttelt. Auch im Namen der Terrorismusbekämpfung, so das Fazit der Urteile, darf die Regierung nicht alles – jedenfalls darf sie nicht einfach Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie opfern. Weder darf der Präsident eigenmächtig weitab von jeder Kampfzone einfache Bürger als „feindliche Kämpfer“ titulieren, verhaften und einem Prozess im völlig rechtsfreien Raum aussetzen. Noch dürfen die in Guantánamo festgehaltenen mutmaßlichen Al-Qaida- und Taliban-Kämpfer weiter völlig ohne Anklage und Rechtsbeistand belassen werden. Sie müssen vielmehr die gleichen Rechte genießen wie Bürger vor dem normalen Justizsystem.

Obwohl die Urteile noch längst nicht rechtskräftig sind und mit Sicherheit den Weg durch die Instanzen antreten werden, markieren sie doch einen Wendepunkt im Umgang mit der wahrgenommenen terroristischen Bedrohung seit dem 11. September. Als die US-Regierung nach den Anschlägen auf New York und Washington eine Verordnung nach der anderen erließ, mit der die bürgerlichen Rechte stets weiter eingeschränkt wurden, da erstickte das Freund-Feind-Gerede der Regierung jede Diskussion. Jeder Widerspruch hätte damals den Stempel der „Terroristenunterstützung“, mindestens aber des unpatriotischen Verhaltens, aufgedrückt bekommen. Diese Phase ist offensichtlich vorbei – gut so.

Die Urteile könnten den Anfang eines Prozesses signalisieren, in dem die USA selbstständig eine aus den Fugen gegangene Politik zurückholen. Der beginnende Wahlkampf ist dafür ein guter Zeitpunkt, immerhin erzwingen die demokratischen Kandidaten ohnehin erstmals wieder eine kontroverse Diskussion über die Antiterrorpolitik. Ob das reicht, um Wahlen zu gewinnen, sei dahingestellt. Auf jeden Fall aber kommt die Regierung nicht mehr damit durch, alle Kritiker an ihrem Vorgehen schlicht als „unpatriotisch“ auszugrenzen. Sollten die Urteile bestand haben, wäre das ein wichtiger Beweis für die Fähigkeit der USA zur demokratischen Selbstkontrolle – ein praktischer, wenn auch unzureichender Akt der Vertrauensbildung nach innen und außen. BERND PICKERT