IM STADTBAD SCHÖNEBERG : Zum Schnüren
Arme Kollegen! Mitleidig stelle ich mir vor, wie sie gerade mit krummen Rücken in ihre Rechner starren. Ich nicht. Ich habe Urlaub und werde gleich in einen der heißen Whirlpools im Schöneberger Stadtbad tauchen. Allein der Gedanke entspannt.
„Hans Rosenthal“ steht über dem Eingang, seit das Bad vor zwei Jahren frisch saniert wiedereröffnet wurde. Der Dalli-Dalli-Mann lernte hier nach dem Krieg schwimmen, vorher durfte er als Jude nicht bzw. musste versteckt leben. Heute ist das hier eins der drei „freizeitorientierten Bäder“ der Bäderbetriebe – mit Tunnelrutsche für Kids, Sprungturm für Poser und heißem Whirlpool für mich.
Dumm, dass ich die Badehose vergessen habe. Aber macht nichts: Der Bademeister zeigt mir die Kiste mit unabgeholten Fundsachen. Ich will die ultramarinblauen Shorts. „Die sind Größe 32, geht das?“, fragt er, und ich sage: „Klar, sind ja zum Schnüren.“ Als ich die Hose ausgespült habe und in der Umkleide stehe, begreife ich: Das Ding ist mir nicht zu weit, sondern zu eng. Solche Nummern haben mir noch nie was gesagt.
Mit eingezogenem Bauch betrete ich die Halle, und meine antizipierte Glückseligkeit zerbröselt: Die Whirlpools sind seit der Sanierung noch nicht in Betrieb gegangen, und das Solebecken ist mit einer Kette abgesperrt. „Zu hohe Verschmutzungswerte“, erklärt mir der Bademeister, „können wir erst um fünf wieder aufmachen.“ Jetzt ist es drei. „Sonst kann ich Ihnen nur das Babybecken anbieten“, sagt er, was ich dankend ablehne. „Oder Sie duschen heiß.“
Tatsächlich öffnet das Solebecken schon nach einer Viertelstunde und füllt sich sofort mit Kindern. Mir ist die Lust vergangen. Weil es in der Halle exakt acht Liegestühle gibt, schwimme ich ein paar Bahnen, dusche heiß und gehe. Immerhin habe ich jetzt eine blaue Badehose. Und einen Grund, mal wieder abzuspecken. CLAUDIUS PRÖSSER