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Archiv-Artikel

IM LIBANON GEHT DER UNILATERALISMUS DER US-NAHOSTPOLITIK ZU ENDE Frankreich etabliert sich wieder

Die zunehmenden Schwierigkeiten der USA im Irak haben sich durch Israels eklatanten Fehlschlag im Libanon noch verstärkt. Was US-Außenministerin Rice noch als „Geburtsschmerz“ eines „Neuen Nahen Ostens“ bezeichnete, sieht nun eher nach dem Todeszucken des aggressiven Unilateralismus aus, mit dem die Bush-Regierung diesen Teil der Welt überzogen hat. Inmitten dieses Ungemachs muss Washington nun zur Beruhigung der Lage im Libanon auf Paris zurückgreifen, nachdem die Amerikaner seit dem Irakkrieg eher einen Bogen um die Franzosen gemacht haben.

Für die USA ist Frankreich ein unbequemer Verbündeter, seit Charles de Gaulle im Zweiten Weltkrieg eine spannungsgeladene Zusammenarbeit mit Washington und London begann. Die französische Regierung nahm genau wahr, dass die USA die Entkolonialisierung benutzten, um Frankreich und Großbritannien insbesonders aus den ölreichen Regionen ihrer einstigen Kolonialreiche zu verdrängen. So interpretierte Paris auch Washingtons Widerstand gegen den gemeinsamen Angriff französischer, britischer und israelischer Truppen auf Ägypten 1956 und die Annäherung der USA an die algerischen Nationalisten, die gegen Frankreich für ihre Unabhängigkeit kämpften.

In den 1960er-Jahren veränderte sich diese Rivalität. Israel ging mit den USA eine strategische Allianz ein und kaufte den Großteil seiner Waffen dort, nicht mehr in Frankreich. Deswegen nutzte Charles de Gaulle den Sechstagekrieg von 1967, um Frankreich als engsten westlichen Verbündeten der Araber zu etablieren. Seither konkurriert Frankreich mit den USA um Rohstoffe, Absatzmärkte und die Petrodollars der Erdölexporteure.

Zu Zeiten der Sowjetunion öffnete diese französische Strategie auch die Märkte der moskaufreundlichen arabischen Länder, die den USA versperrt waren. So wurde Paris der wichtigste westliche Partner für Saddam Hussein im Irak, selbst als Frankreich sich der US-geführten Koalition anschloss, die 1991 die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieb. Die Lieferverträge, die Bagdad mit französischen (und russischen) Ölfirmen abschloss, waren ein Hauptgrund für den Widerstand von Paris (und Moskau) gegen die US-Invasion im Jahr 2003.

Mit der Zerstörung des Irak, gefolgt von dessen Eroberung zwölf Jahre später, geriet nun Saudi-Arabien, der älteste Schützling Washingtons, ins Augenmerk der französischen Nahostpolitik. Die guten Beziehungen Frankreichs sowohl zu den Saudis als auch zum libanesischen Verbündeten Hariri begründeten die Gemeinsamkeiten von Paris und Washington in der Libanon-Politik seit 2004, denn auch die Saudis hatten sich dafür entschieden, Syrien aus dem Libanon zu verdrängen.

Zu Spannungen kommt es zwischen Paris und Washington immer dann, wenn die Interessen der US-Alliierten Israel und Saudi-Arabien kollidieren. Der jüngste Libanonkrieg ist ein Beispiel dafür. Frankreich soll nun die Hauptlast der westlichen Intervention unter UN-Flagge übernehmen – und zugleich, wozu die USA nicht bereit sind, mit der Hisbollah ins Geschäft kommen. GILBERT ACHCAR

Der Autor lehrt an der Universität Paris 8 und hat zahlreiche Bücher über Geopolitik veröffentlicht. Übers.: Dietmar Bartz