IG Farben: Hand in Hand mit den Nazis

■ Mit Spendengeldern erkaufte sich der Konzern das Wohlwollen der Nazis/ Zehntausende arbeiteten sich für den Profit der IG Farben zu Tode

„Es kann also behauptet werden, die übergeordnete Organisation des Nationalsozialismus habe sich inhaltlich dadurch ausgezeichnet, daß sie die kapitalistisch-ökonomische Ordnung politisch stabilisierte“ (Eike Henning). Der bereits 1925 gegründete IG-Farben-Konzern war — neben der Schwerindustrie — Hauptnutznießer dieser „Stabilitätspolitik“ der Nazis. Gegen Kriegsende war der IG-Farben-Konzern das größte deutsche Unternehmen. 1945 gehörten 214 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen zum Chemiekonzern. Zu dem Zeitpunkt hatten die Alliierten auf ihrem Vormarsch längst die Werke der IG Farben besetzt, die Zwangsarbeiterlager aufgelöst und die Häftlinge in den Konzentrationslagern des Konzerns befreit.

Die Gummi-, Farb-, Laugen- und Sprengstoffkrake, die schon 1932, vor der sogenannten Machtergreifung, offizellen Kontakt zu den Nazis gesucht und gefunden hatte, war ein Zusammenschluß der größten deutschen Chemiefirmen. Unter dem Dach der IG Farben fusionierten Mitte der 20er Jahre die BASF, die Farbwerke Hoechst, die Agfa und die Chemische Fabrik Griesheim-Elektron. Die Casella-Werke/Frankfurt und die Kalle AG/Wiesbaden wurden in den organisatorischen Aufbau des Konzerns miteinbezogen. 1926 schloß der Konzern langfristige Kooperationsverträge mit der Dynamit AG und der Rheinisch-Westfälischen Sprengstoff AG. Internationale Beteiligungen vor allem in der Schweiz, in Frankreich und den USA folgten — und Ende 1928 hatte die IG Farben ein weltumspannendes Farbstoff-Kartell aufgebaut.

Das Wohlwollen der neuen braunen Machthaber erkauften sich die Konzernherren mit der Ausschüttung von insgesamt 44 Millionen Reichsmark an Spendengeldern in die Kasse der NSDAP. Die Zusammenarbeit zwischen Naziführung und Konzernleitung entwickelte sich prächtig: Schon 1933 vereinbarten die Partner eine Verdreifachung der Produktion in Leuna. Und die Staatsführung übernahm die Investitionskosten und sicherte eine Absatzgarantie zu. Spezielle Kontaktstellen wurden eingerichtet. Ein leitender Manager der IG Farben wurde Generalbevollmächtigter für die chemische Erzeugung im „Amt für Wirtschaftsaufbau“, dessen Leiter Herrmann Göring war. 1936 hatte sich die IG Farben zwei Drittel der Investitionen des Vierjahresplanes mit Kriegsoption der Nazis in wichtigen industriellen Sparten gesichert. Und als dann die deutsche Wehrmacht in halb Europa einmarschierte, hechelte der IG- Farben-Konzern nach Auffassung eines US-amerikanischen Ermittlers aus der Finanzabteilung der Militärregierung „wie ein Schakal hinter dem Löwen“ her. Detaillierte Pläne über Standorte chemischer Fabriken in ganz Europa wurden sozusagen als Wunschlisten der Naziführung und der Wehrmachtsspitze vorgelegt. Überall dort, wo deutsche Truppen das Hinterland absicherten, übernahm die IG Farben die Werke — in Polen und Frankreich, auf dem Balkan und in der Sowjetunion.

In den frühen 40er Jahren schufteten bereits Hunderttausende von Zwangsarbeitern in den einzelnen Chemiefabriken — von Griechenland bis Bordeaux. Und am Ende betrieb die IG Farben gar ein eigenes KZ: Monowitz. 30.000 Häftlinge wurden durch das IG-Farben-KZ geschleust. Und mindestens 25.000 Menschen arbeiteten sich für den Profit der IG Farben buchstäblich zu Tode. Die IG-Farben-Töchter Hoechst und Bayer beteiligten sich an Menschenversuchen in den Konzentrationslagern. Gefangene wurden mit Typhus, Fleckfieber und anderen Krankheiten infiziert — zu „Studienzwecken“. Und die IG-Farben-Beteiligungsfirma Degesch, die zu 42,5 Prozent dem Konzern und zu 57,5 Prozent der Degussa gehörte (wobei der Konzern auch 30 Prozent an der Degussa hielt), stellte schließlich für die SS das berüchtigte Giftgas „Zyklon B“ her.