ŽIŽEK UND TIMO : Reichhaltig originell
Energischer Auftritt in knallrotem Jackett und schwarzer Lederhose, die unten wie bei einem peniblen Radfahrer in Strümpfe gestopft ist. Nicht so auffällig wie die in blümchengemusterter Unterhose vorbeilaufende ganzkörpertätowierte, nasenringgepiercte und gerade aus einem Müllberg gekrochene Prollpunkerin mit Kampfhund und Bierflasche in der Hand. Aber immerhin. Er stoppt abrupt einen Meter vor dem Kaffeehaustisch und sagt: „Eine glückliche Quellenpflege, einfache, reichhaltige Originalität.“ Vorsichtiger Augenkontakt, denn man weiß ja nie, was für einen Verrückten man dann wieder am Hacken hat, und schon legt Timo los.
Er spricht erstaunlich sinnfreie, aber höchst philosophisch klingende Sätze. Ich bin perplex. Es ist ein wenig wie bei Zizek, der ja auch wirres Zeug redet. Zizek hält man deshalb für genial, Timo nicht. Schade eigentlich. Timo verkauft Gedichte, die sich nicht reimen, die er dennoch auswendig kann.
Er gibt mir ein kleines Blatt und legt los: „MEHR! / Du erstehst dir!, eine Fahrkarte, ewigen / Erwachens! In verkrüppelten / Umständen!! Spielen, hinter längst! Und! / unlängst!! Geschlagenen SCHLACHTEN, / S U P E R L I N G E ! ! ! ! ! ! // DIESE LÄCHELN ODER LACHEN UND / KOMMENTIEREN DIE LETZTEN VOR-/BEIFLIEGENDEN WURF-HAKEN!!!!!! / Ja! Sie können fliegen!“ Für 50 Cent ist dieses Gedicht nicht überbezahlt. Der Dichter des Ausrufezeichens erklärt während des Vortrags sogar noch die „Superlinge“. Leider habe ich vergessen, wer die sind, jedenfalls keine angenehmen Zeitgenossen.
Ich überlege, ob es vielleicht eine Möglichkeit gibt, Timo und Zizek zusammenzubringen. Ich frage Timo, ob es seine beeindruckende Moderation auf CD gibt. Er sagt, ich solle sein Gedicht anderen mehrmals laut vortragen, bis ich glaube, es sei von mir. So weit will ich dann doch nicht gehen. KLAUS BITTERMANN