: Hurra, hurra, die Schule brennt
Kinder und Jugendliche werden unfreiwillig oft zu Brandstiftern. Die Berliner Feuerwehr betreibt Aufklärung, doch das alleine reicht noch nicht. In den Schulen kommt das Thema zu kurz. Der Künstler Kain Karawahn lässt in Kitas spielerisch zündeln
VON LARS KLAASSEN
Menschen spielen immer wieder mit dem Feuer – und zwar nicht nur sprichwörtlich. Dafür gibt es gute Gründe. Dieses „Element“ zu kontrollieren war ein entscheidender Schritt in der Entstehung menschlicher Kulturen und Zivilisationen. Hätten unsere Vorfahren nicht riskiert, sich die Finger zu verbrennen, würden wir heute noch im Dunkeln sitzen. Im städtischen Alltag ist offenes Feuer schon lange nicht mehr präsent. Das Problem dabei: Spiele mit einer unbekannten Materie sind gefährlich. Im Jahr 2005 erfasste das Statistische Landesamt Berlin 1.356 Brandstiftungen. In der Regel ist bei diesem Delikt etwa die Hälfte der Täter unter 21 Jahre alt: rund 20 Prozent Kinder, 20 Prozent Jugendliche und 10 Prozent Heranwachsende. Ein stärkeres pädagogisches Engagement für den verantwortungsvollen Umgang mit Feuer ist gefordert.
Die Berliner Feuerwehr hat ihre Aufklärungsarbeit seit 1995 intensiv ausgebaut. Anlass war seinerzeit der Brand in einer Weißenseer Schule. Brandschutzerziehungen für Kinder im Vorschulalter und Brandschutzaufklärung für Erwachsene sind wichtige Bausteine des „vorbeugenden Brandschutzes“ bei der Berliner Feuerwehr. Bis heute wurden rund 300 Brandschutzerzieher ausgebildet, die in Kitas, Vor- und Grundschulen täglich gemeinsam mit den Lehrkräften die Kinder für Gefahren von Feuer und Rauch sensibilisieren. Seit gut einem Jahr verfügt jede der 38 Berliner Berufsfeuerwachen über eine „Brandschutzbox“: Der Koffer mit Verbrennungsproben, Zündmitteln und Anschauungsmaterial ist für die Altersgruppe bis 6 Jahre ausgelegt. „Die Brandschutzerzieher Berlins sind trotz Personalnot täglich in vielen Schulen zu Gast. Wir müssen bei den Kleinsten beginnen, Brandprävention zu kommunizieren. Die Kinder transportieren ihr Wissen dann in die Familien – ein doppelter Nutzen“, sagt Landesbranddirektor Wilfried Gräfling, Leiter der Berliner Feuerwehr.
„Ein Besuch der Feuerwehr in der Schule oder ein Klassenausflug zur Feuerwache allein reichen allerdings noch nicht“, betont Gundel Mattenklott. Die Professorin bildet an der Universität der Künste angehende Grundschullehrer im Bereich musisch-ästhetischer Erziehung aus. Dabei greift sie auch regelmäßig das Phänomen Feuer auf, denn: „Das wird im Grundschulbereich sträflich vernachlässigt!“ Wird das brennende Thema überhaupt einmal aufgegriffen, steht fast ausschließlich die Prävention im Vordergrund. Dieser Ansatz greift für Mattenklott zu kurz. Wie beim Schwimmunterricht oder der Verkehrserziehung dürfe auch hierbei nicht vernachlässigt werden, an einen angstfreien und verantwortungsbewussten Umgang heranzuführen. „Feuer ist ein sehr emotionaler Gegenstand, der große Reize ausübt.“ Mattenklott warnt: „Ausschließliche Warnungen und Verbote wirken bei Kindern nur oberflächlich.“
Medial brennt es ohnehin auf allen Kanälen: in Zeitungen, Computerspielen und Filmen. „Dabei erfahren kleine Kinder unter dem Begriff Feuer vor allem Brandkatastrophen – spektakulär und zerstörerisch“, sagt Kai Karawahn. „Und gelöscht wird meist ganz einfach: per Schnitt.“ Der Berliner Künstler arbeitet seit 1983 mit Feuer. Er hat unter anderem Bücher darüber geschrieben und Performances initiiert. Auch mit Kindern und Jugendlichen arbeitet er.
Karawahns Workshop feuerMACHEN kulturell vermittelt Kindern das Thema Feuer spielerisch, sozial und kulturell geprägt. Hierzu erlernt jedes Kind im Rahmen der Veranstaltung Feuervorbereitung, -entzündung, -kontrolle und -löschen – selbstständig, verantwortungsvoll und sicher. Der Workshop für Kindergärten beginnt mit einem Elternabend, in welchem generelles Vorkommen und kindliches Erleben von Feuer heute sowie Methodik des Workshops ausführlich erläutert werden. An fünf Vormittagen wird dann mit den teilnehmenden Kindern zuerst im Innenbereich der selbst zu verantwortende Umgang mit den heute gebräuchlichsten, häuslichen Feuern: Streichholz, Feuerzeug und Kerze, spielerisch erarbeitet. Am dritten Tag beginnt der Wechsel in den Außenbereich. Nach dem Kinderfeuermodell von Karawahn bastelt, entzündet, kontrolliert, löscht und entsorgt jedes Kind ein eigenes Holzfeuer, erfährt und verantwortet einen von ihm selbst geschaffenen Brennprozess von Anfang bis Ende. Am letzten Tag des Workshops, in der Regel Freitagnachmittag, feiern Kinder, Familienangehörige und Erzieher ein Feuerfest.
In Zusammenarbeit mit dem Luise-Henriette-Gymnasium brachte Karawahn innerhalb eines Schuljahres ein Musiktheaterstück auf die Bühne. Dabei standen die Ambivalenzen menschlicher Beziehung zum Feuer im Mittelpunkt. Ausgewählte Märchenfiguren und -sequenzen wurden von den Schülern feuerthematisch-zeitgenössisch interpretiert, dann dramatisiert und musikalisiert und final unter Verwendung realer Brennprozesse inszeniert. „Ohne Pyro-Effekte!“, betont Karawahn. Siebzig Schüler präsentierten an vier Abenden vor jeweils ausverkauftem Haus, der Halle im KIS Umspannwerk in Kreuzberg, das mehr als zweistündige Musiktheaterstück.
Beim Kinderfeuer und bei der Theateraufführung zielt Karawahn auf dieselbe Erkenntnis für die Beteiligten: „Nicht das Feuer ist böse, sondern du kannst entscheiden!“
Unter www.berliner-feuerwehr.de gibt die Berliner Feuerwehr Sicherheitstipps und informiert über Brandschutzerziehung. Einzelheiten über die Seminare Kai Karawahns stehen unter www.mitfeuerspielen.de