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Archiv-Artikel

Humanitäre Hilfe wird unmöglich Kommentar von Stefan Reinecke

Wir wissen bislang nicht viel über die Entführung von Susanne Osthoff im Irak. Ob die Entführer ihre politischen Forderungen ernst meinen oder es eher auf Lösegeld abgesehen haben, ist unklar. Umso erstaunlicher ist, was Innenminister Schäuble zu wissen glaubt – diese Tat zeige, „dass die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus uns alle trifft“.

Daran ist so ziemlich alles fragwürdig. Denn ob wir es überhaupt mit internationalem Terror oder nicht eher mit nationaler irakischer Gewalt oder eben blanker Kriminalität zu tun haben, wissen wir nicht. Trotzdem versucht Schäuble mit dieser Dramatisierungsfloskel, uns alle zu möglichen Opfern des islamistischen Terrors zu machen. So klingt die altbekannte konservative Angstmache: Die Bedrohung ist groß, ein starker Staat nötig. Nur – mit diesem Fall hat das nichts zu tun.

Diese „Wir alle sind betroffen“-Rhetorik steht zudem in schroffem Kontrast zu einer anderen medialen Lesart. Susanne Osthoff sei halt ein sehr „eigenwilliger“ Charakter, zerstritten mit ihrer Familie, irgendwie unbelehrbar. Der Subtext dieser Schilderung heißt: Selbst schuld! So offen schreibt das keine Zeitung. Aber wer im Internet, zum Beispiel im Leserforum von Spiegel Online, nachschaut, findet bei vielen Diskutanten eine Herzenskälte, die ein Echo dieser Andeutungen zu sein scheint. Unangemessen ist beides: die dröhnende „Wir sind alle gemeint“-Geste und das „Selbst schuld!“, mit dem man sich den Schrecken vom Leib hält.

Die Entführung von Susanne Osthoff mag ein spezieller Fall sein, weil die Gefahr für Ausländer im Irak extrem ist. Aber auch in Afghanistan und anderen Bürgerkriegen werden Menschen, die nur helfen wollen, entführt und ermordet. Humanitäre Hilfe wird schwierig, ja fast unmöglich.

Diese Entgrenzung forcieren im Irak die Islamisten. Doch dazu beigetragen haben auch die USA, die humanitäre Hilfe mit Militäreinsätzen koppeln. Damit verwischen sie die Grenze zwischen Kombattanten und Neutralen, die für Hilfsorganisationen buchstäblich lebenswichtig ist. Das ist eine dramatische Entwicklung. Denn es kann das Ende der Idee sein, dass Unparteiische zur Zivilisierung des Krieges beitragen können.