■ Vorschlag: Homosexuell groovt der Brit-Pop: Long Fin Killie im Knaack-Club
Blättert man in den englischen Musik-Gazetten der vergangenen Wochen und Monate, findet man im Überfluß Berichte und Belanglosigkeiten über all die Bands, die die Insel popmäßig regieren: Oasis, Suede, Pulp usw. Was es kaum gibt, sind Eintragungen über eine schottische Band namens Long Fin Killie. Es mag an ihrer Musik und den Lyrics liegen: Sänger und Texter Luke Sutherland, Sohn afrikanischer Einwanderer und Homosexueller, transportiert offensiv die Inhalte und unschönen Begleiterscheinungen, die sich aus seiner Abstammung und geschlechtlichen Veranlagung ergeben. Nicht unbedingt ungewöhnlich, doch im Indiebereich fühlt sich für solche topics selten jemand zuständig, weder NME noch Melody Maker.
Sutherland bricht dabei nicht in klagende Jammerigkeit über den täglichen Rassismus aus; auch versucht er nicht, diesen glamourös zu pervertieren. Lieber wechselt der Mann ständig seine Positionen, ist bald zornig, bald oberflächlich, und schreibt sich selbst Brüche in die Festschreibung zu, bevor andere ihn auf eine Identität festlegen – etwa die „macho swines“ und „racist jibes“, die fiesen Fratzen mit dem „clear skin, clear hair, clear smile und dead style“, oder die „unconscious gangs of men“. „Pauschalisieren über die Leute, die pauschalisieren“, nennt Sutherland das, und in die typische Sorte Brit- Pop läßt sich der Sound von Long Fin Killie dann auch nicht packen: Ihre Songs strahlen allesamt eine eigentümliche Struktur und Dramaturgie ab; sie breiten sich aus, ihre einzelnen Teile laufen auseinander, kennen kein Zurück im Sinne smarter Hooklines, enthalten scheinbar ungeordnete Melodie- und Rhythmusführungen.
Zudem sind sie gefüttert mit einer kongenial nervösen Instrumentierung, die nicht Verzierung ist, sondern zum Dauereinsatz im Land von Houdini und Valentino kommt: Glockenspiel, Violinen, Bouzoukis, Mandolinen. Recht elastisch klingt das alles, amorph, manchmal bedrohlich, wobei Sutherlands gespreizt hoher Gesang sein übriges tut. Von musikalischen Genrefixierungen halten Long Fin Killie wenig, und so was wie Pop haben sie in ganz, ganz tiefen Schichten ihres Sounds versteckt. Unter einem geilen Groove jedoch kann man sich bei ihnen allemal versammeln. Geritt Bartels
Long Fin Killie, 21 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Straße 221
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen