■ Holland: Aufregung in der Hauptnachrichtensendung: Ein Witz unter Kollegen
Amsterdam/Hilversum (taz) – Man stelle sich vor, ein Hinter- den-Kulissen-Journalist der ARD- Tagesschau würde inmitten härtesten Konkurrenzkampfes mit RTL bei Heiner Behmers „Nachtjournal“ auftreten und als angeblicher Polizeisprecher irgendwelche Statements abgeben. Unmöglich? Nicht in Holland!
Der Fall hat gleich mehrere spektakuläre Seiten. Die Polizei hatte die Büros eines Fernsehsenders sowie die Privatwohnung eines Journalisten durchsucht. Derlei kommt in Holland nicht eben häufig vor. Die Polizei verdächtigte den Mitarbeiter eines Fernsehmagazins des öffentlich-rechtlichen Senders TROS, Peter M. de Vries, daß er im Besitz von Material aus einem ungewöhnlichen Raub wäre. Dabei waren einem Richter unter anderem 50 Disketten mit wahrscheinlich geheimsten Untersuchungsergebnissen gestohlen worden – aus dessen Privatwohnung. Als die Kollegen von Hollands RTL vor dem Gebäude der TROS auf Stellungnahmen warteten, gab ihnen der Polizeisprecher namens „R. Bernstein“ bereitwillig Auskunft.
Am 22. Dezember strahlte RTL dessen todernste Stellungnahme in der Hauptnachrichtensendung gegen 19.30 Uhr aus. Kollegen des Medienmagazins „Zappelin“ des Senders VARA (öffentlich-rechtlich) erstarrten. Sie hatten TROS- Mitarbeiter Freek Simon erkannt. RTL, davon in Kenntnis gesetzt, fehlt es an kollegialem Humor. Die Luxemburger Kommerzfunker werden juristische Schritte unternehmen. Bei TROS entschuldigte man sich, das sei „einfach ein Witz“ gewesen. Es soll geschehen sein, als Freek mit der Jacke in der Hand aus dem Sender gelaufen sei. Die RTL-Kollegen hätten ihn bestürmt – und so hätte er ihnen eben den Gefallen getan. Ein RTL- Sprecher: „Wenn man auf diese Art und Weise mit Kollegen umgeht, dann überschreitet man die Grenzen.“ Ein Polizeisprecher findet das Verhalten „absolut unakzeptabel“. Jeder müsse doch „einfach seine Arbeit tun“.
Immerhin gelang es dem TROS- Mann, einen ebenfalls nicht ganz geglückten Witz eines Kollegen von der schreibenden Zunft zu übertreffen. Der, Sportredakteur des Allgemeenen Dagblad, hatte während der Fußball-WM in den USA eine seine Tasche verlangende US-Stewardeß angeschnauzt: „Nee, gebe ich nicht her, da ist eine Bombe drin.“ Dummerweise nahm die Stewardeß auch das absolut ernst, die anschließende Notlandung mit der holländischen Nationalmannschaft an Bord war alles andere als billig. Der Kollege mußte sich anschließend einen neuen Job suchen. Falk Madeja
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen