: Höhn empört Muslime
Die NRW-Umweltministerin will das Schächten weiter einschränken – trotz des Karlsruher Urteils vom Januar
GÖTTINGEN taz ■ Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) will mit einem Erlass dafür sorgen, dass das Schächten unbetäubter Tiere auf das „unerlässliche Minimum“ begrenzt wird. Muslime sollen deshalb ab dem kommenden Jahr „ausführlich und eindeutig nachweisen“, warum sie nur unbetäubte Tiere schächten wollen, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums.
Bei den muslimischen Dachverbänden stieß der Entwurf auf einhellige Empörung. „Hier soll eine höchstrichterliche Entscheidung gleich wieder ausgehöhlt werden“, sagte der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, der taz. In einem am Mittwoch veröffentlichten offenen Brief wirft auch der Zentralrat der Muslime der Ministerin vor, das Schächturteil des Bundesverfassungsgerichts zu missachten. Im Januar 2002 hatten die Verfassungsrichter der Klage eines hessischen Metzgers islamischen Glaubens stattgegeben und das Schächten unbetäubter Tiere aus religiösen Gründen grundsätzlich erlaubt.
Nach Auffassung der beiden islamischen Verbände hat das Verfassungsgericht damit die Notwendigkeit des Schächtens unbetäubter Tiere für Muslime bereits abschließend anerkannt. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Ministerin nun verlange, diese Notwendigkeit erneut nachzuweisen. Außerdem habe das Verfassungsgericht entschieden, die Einschätzung der religiösen Notwendigkeit sei nicht Sache des Staates. Die beiden Dachverbände wollen nun per Eilverfahren versuchen, den Höhn-Erlass zu stoppen. Bis spätestens zum 4. März 2002, wenn das islamische Opferfest ansteht, soll der Erlass gekippt sein.
Verärgert sind die Verbände auch, weil im Erlassentwurf steht, dass es im Koran kein Gebot für das betäubungslose Schächten gebe und dass islamische Rechtsgelehrte auch das Schächten betäubter Tiere akzeptierten. „Es ist schon interessant, dass die Ministerin es wagt, den Koran auszulegen“, sagte der Islamratsvorsitzende Kizilkaya. Aussagen von Rechtsgelehrten in Kairo oder Ankara seien für die in Deutschland lebenden Muslime außerdem nicht bindend. Tatsächlich gibt es unter Muslimen weltweit keine einheitliche Auffassung darüber, ob ein Schlachttier betäubt werden darf oder nicht.
Peter Knitsch, Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, verteidigte unterdessen den geplanten Erlass. Das „Beibringen geeigneter Unterlagen“, um die Notwendigkeit des betäubungslosen Schächtens nachzuweisen, leite sich unmittelbar aus dem Tierschutzgesetz ab. Hier gehe es nicht darum, Muslimen ihr Recht zu verweigern, sondern der Tatsache gerecht zu werden, dass Tierschutz seit Juli 2002 auch ein Verfassungsziel sei.
Knitsch betonte, der Zentralrat der Muslime sei zu einer Fachtagung zum Thema Schächten und Tierschutz, die am Mittwoch in Herford stattfand, ausdrücklich eingeladen worden. Der Pressesprecher des Zentralrats erklärte hingegen, man habe sich überrumpelt gefühlt, weil die Tagung ohne Rücksprache mit den Verbänden organisiert worden sei und Vertreter der Verbände nicht als Experten zu Rate gezogen wurden. Deshalb habe bewusst kein offizieller Vertreter der Verbände die Tagung besucht.
YASSIN MUSHARBASH