Hochschullehrerverbände kritisieren CHE: Streit über Uni-Ranking
Immer mehr Wissenschaftsverbände üben Kritik an der CHE-Hochschulbewertung. Ihr Problem: methodische Mängel und Effekthascherei.
BERLIN taz | Der Druck auf das deutsche Hochschulranking des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) steigt. Erst im September dieses Jahres hatte die Gesellschaft Deutscher Chemiker ihren Mitgliedern in den Uni-Fakultäten geraten, das Ranking zu verlassen.
Zuvor hatten bereits die Verbände der Historiker und Soziologen zum Boykott aufgerufen. Letztere kritisierten in ihrer mehrseitigen Stellungnahme die zahlreichen methodischen Mängel des jährlich in der Zeit veröffentlichten Hochschulrankings. Andere Fachverbände sehen das ähnlich und ziehen jetzt nach.
Alois Palmetshofer von der Konferenz Biologischer Fachbereiche (KBF) erklärte gegenüber der taz, auch unter den Biologen sei der Unmut wegen methodischer Mängel groß. „Die Umfrage des CHE ist umfangreicher, als der Teil, der am Ende in der Presse veröffentlicht wird, das hat etwas von politischer Willkür“, so Palmetshofer.
Hilfe zur Studienwahl
Das CHE, das je zur Hälfte von der Hochschulrektorenkonferenz und der Bertelsmann-Stiftung finanziert wird, schickt Fragebögen an die Universitäten. Studenten werden gefragt, wie zufrieden sie mit den Studienbedingungen sind. Professoren sollen angeben, wie sie die Forschung in ihrem Fachbereich beurteilen.
Von 18 erhobenen Merkmalen wählt das CHE fünf aus, bewertet die Ergebnisse nach Ampelfarben und veröffentlicht sie jährlich in der Zeit. Für viele Abiturienten ist das Ranking eine Hilfe für die Studienwahl.
Als zu einfach und unvollständig kritisieren Universitäten und Fachverbände das Ranking. Palmetshofer vom KBF will die methodische Kritik seiner Mitglieder jetzt in einer Umfrage unter den Fakultäten bündeln und Ende des Jahres veröffentlichen. Einen Boykottaufruf erwarte er zwar nicht, sagt Palmetshofer, über Alternativen zum CHE-Ranking müsse aber nachgedacht werden. Denn der Grund für die Kritik der Verbände am CHE-Ranking liegt nicht darin, dass eine Evaluation per se abgelehnt wird. Es geht den Verbänden in der Mehrheit um die Methodik, also darum, wie belastbare Daten erhoben, bewertet und veröffentlicht werden.
Das Geschäftsmodell als Problem
Diese Frage war auch der Anlass für den Boykottaufruf der Gesellschaft für Soziologie. Ihr Vorsitzender Stephan Lessenich, Professor für Soziologie in Jena, war über Jahre mit dem CHE in Kontakt und versuchte, das Ranking methodisch zu verbessern. Mit unbefriedigendem Ergebnis. Am Ende hat er mit seinem Institut das Ranking verlassen – trotz guter Bewertungen.
Lessenich glaubt, die Mängel am Ranking liegen in dem Geschäftsmodell des CHE begründet: „Das CHE veröffentlicht eine einfache, medienwirksame Liste, ich bezweifle jedoch, dass etwa mit den Daten aus Studierendenbefragungen Rückschlüsse auf die Qualität eines Standorts gezogen werden können.“ Denn der Rücklauf der Fragebögen sei teilweise viel zu gering für belastbare Aussagen. Dennoch werde mit den Ergebnissen sogar Hochschulpolitik gemacht, so Lessenich.
Das CHE selbst streitet hochschulpolitische Folgen des Rankings ab. „Mir ist kein Fall bekannt, in dem die Ergebnisse des Rankings unmittelbar in die Mittelvergabe eingeflossen sind“, sagt Gero Federkeil, Projektmanager des CHE-Hochschulranking. Er verstehe auch die Diskussion über die Rücklaufquoten nicht, diese würden im Netz veröffentlicht. In Zukunft werde man weiter Gesprächsbereitschaft gegenüber Fachbereichen und Verbänden signalisieren.
Mark Dehrmann vom Deutschen Germanistenverband lobt zwar die Zusammenarbeit mit dem CHE. Aus Gesprächen mit Kollegen erfahre er aber immer wieder, wie in Universitätsverwaltungen mit den Rankings Politik gemacht wird. Bei der Deutschen Mathematiker-Vereinigung ist man sich schon längst über die methodischen Mängel des Rankings bewusst und erwartet bereits dessen Ende. Christian Bär, Professor in Potsdam und Präsident der Mathematiker-Vereinigung, ist sich sicher: „Wenn sich nichts ändert, wird sich das Problem von ganz allein lösen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften