Hitzfeld prophezeit FC Bayerische Jahre: "Großartig in den nächsten Jahren"
Bayern München sei nun für "fünf, sechs Jahre" gerüstet für die Championsleague, verspricht Hitzfeld. Nachfolger Klinsmann wird sich freuen: Er muss das Versprechen einlösen.
BERLIN taz Die Schweiz muss sich darauf einstellen, einen wahren Methusalem als Nationaltrainer zu bekommen. "Ein Jahr Bayern ist wie zehn Jahre bei einem anderen Bundesligaklub", sagte Ottmar Hitzfeld, nachdem mit dem 0:0 beim VfL Wolfsburg der 21. Meistertitel des FC Bayern München perfekt war. Er rief Felix Magath, der leicht verhutzelt neben ihm saß, als Zeugen auf. Bisher hielt man Hitzfeld für 59, da er ingesamt siebeneinhalb Jahre davon als Bayern-Trainer verbracht hat, muss man aber von einer dreistelligen Zahl ausgehen.
"Ich habe bewußt diese Entscheidung getroffen, um mehr Lebensqualität zu haben", sagte er mehrfach auf seinen Wechsel vom Klub- zum Nationaltrainer angesprochen. An dem Satz sind zwei Dinge wichtig: Das erhoffte Mehr an Leben durch die Reduzierung der Spiele und des täglichen Stresses. Und dass er, Hitzfeld, selbst entschieden hat, dass es Zeit ist - und nicht etwa ein zweites Mal nach 2004 von den Bayern-Chefs Hoeneß und speziell Rummenigge vor die Tür gesetzt wurde.
Hitzfeld wirkte sehr gelöst, nach dem glücklichen Punktgewinn von Wolfsburg, mit dem er offenbar gar nicht gerechnet hatte. "Ich habe eigentlich gedacht, dass wir das am Mittwoch machen", sagte er. Da steht das Heimspiel gegen Arminia Bielefeld an, das nun in eine rot-weiße Feier umgewandelt werden kann.
Er sei "sehr, sehr glücklich". Und dass man "den Moment genießen" müsse. Es ist der siebte Bundesligatitel für ihn, der fünfte mit den Bayern, zwei hat er Mitte der Neunziger mit Borussia Dortmund gewonnen. Dazu kommen zwei Champions League-Siege, drei DFB-Pokalsiege, diverse Schweizer Titel, Weltpokal und noch dies und das. Kurzum: Er ist der erfolgreichste seines Fachs in der Geschichte der Bundesliga.
Dass er seinen - die WM 2010 mal außen vor - letzten Titel mit einem eher jämmerlichen Spiel einkassiert hat, vermochte die Zufriedenheit nicht trüben. Im Gegenteil: Hitzfeld erklärte es zum Sieg des Willens eines Teams, das am Ende ist - nicht seines Weges, sondern seiner Kräfte nach einer langen Saison und 28 Pflichtspielen seit Rückrundenbeginn. Insofern sei es nicht um Rehabilitierung für das 0:4 im Uefacup-Halbfinalrückspiel bei St. Petersburg gegangen, sondern darum, sich durchzubeißen.
Nun wird allenthalben gemäkelt wird, dass die Bayern zwar national ihre Bahnen zogen - auch weil die Konkurrenz sie aus unterschiedlichen Gründen ziehen ließ - aber die internationale Spitze nach dem Debakel von St. Petersburg nur noch "mit dem Fernglas" sähe, wie Ex-Kapitän Stefan Effenberg oder sein Ghostwriter das formulierten. Das mögen die Bayern-Chefs gar nicht hören. Eine "überragende Saison" habe man gespielt, insistiert Manager Uli Hoeneß.
Dank einer Nettoinvestition von 70-75 Millionen Euro hat man nach dem Einbruch des Vorjahres (Platz 4) die nationale Dominanz zurückgeholt. Der jüngste Titel ist der siebte im letzten Jahrzehnt. Und man sollte nicht vergessen, dass die Bayern ein paar Minuten im Spätsommer derart berückenden Fußball boten, dass selbst traditionelle Skeptiker für einen irrational-romantischen Moment einen "neuen" FCB fühlen zu können glaubten.
Das sei ja wohl selbstverständlich, wenn man Ribery, Toni und Klose hole, sagen die einen. Aber das sieht Hitzfeld verständlicherweise anders. Im Gegenteil sei es nicht zu erwarten gewesen, "dass eine neu zusammengekaufte Mannschaft mit so einem Vorsprung Meister wird." Aus seiner Sicht ging der Aufbau des neuen Teams überraschend schnell. Er fand praktisch sofort seine Formation. Das frühe, grandiose 4:0 in Bremen half immens. Und damit ihm - ausgerechnet - Rummenigge den militärischen Spitzenrang eines "Vier-Sterne-Generals" nicht völlig unpassenderweise verliehen hat, sagt er, es habe auch "etwas Schlachtenglück" gebraucht.
Nun will man beim FC Bayern zwar dass die Erfolge gebührend gewürdigt und respektiert werden - andererseits gehen die Blicke von Hoeneß und Rummenigge längst Richtung Zukunft.
Die Zukunft, das ist die Zeit, in der Jürgen Klinsmann den FCB dorthin zurückführen soll, wo er zumindest für die Bayern-Chefs hingehört - in Europas Spitze. "Viel Wert auf die Champions League" werde man im kommenden Jahr legen, sagte Hoeneß der FAS. Er kann bereits eine "ganz große Mannschaft" am Horizont erkennen.
Wer Hitzfeld für einen Gentleman hält, muss anerkennend bemerken, dass er die Hürde für seinen Nachfolger Klinsmann auf eine sehr elegante Art und Weise sehr, sehr hoch gelegt hat. Auf die Frage, was verbesert werden müssse, sagte er: "Ich glaube nicht, dass sehr viel verbessert werden muss." Es müßten auch "keine großen Transfers" mehr getätigt werden.
Falls es einer vergessen haben sollte in unserer schnellebigen Zeit: Bayern habe im vergangenen Frühjahr in der Champions League Real Madrid ausgeschaltet. Und den AC Mailand fast auch, wie Kollege und Vorgänger Felix Magath sagte - und das "mit einer Mannschaft, die nicht soviel Qualität hatte wie dieses Jahr." Nein, nein, der FCB werde "auf Augenhöhe mit den Großen sein", sagt Magath. Zumindest diese beiden unterstützen also die Ansage von Hoeneß, man gehöre nicht nur dem Umsatz nach, sondern auch weiterhin sportlich zu den acht besten Teams Europas.
Was die kritisierten Defizite in der Defensive angeht, so hat Hitzfeld die Abwehr ausdrücklich als Grundlage für den Titel genannt. Es stimmt, das sie in der Liga sicher steht (18 Gegentore in 31 Spielen), es stimmt aber auch, dass sie im Uefacup ganz und gar nicht sicher stand (19 Gegentore in 14 Spielen). Wenn es für Klinsmann um die Weiterentwicklung einzelner Profis geht, so gibt es zumindest nach dem Augenschein von Wolfsburg riesiges Potential allein bei den Nationalspielern Schweinsteiger und Podolski.
Ottmar Hitzfeld sagt, er sei froh, dass er "das Vertrauen des Vereins rechtfertigen konnte", das klingt noch harmlos, und dass "die Grundlage gelegt ist für eine großartige Mannschaft in den nächsten fünf, sechs Jahren." Das klingt gut. Und gefährlich für seinen Nachfolger. Denn der muss das Versprechen einlösen. Jürgen Klinsmann ist zwar noch relativ jung und womöglich stressresistent. Aber falls er tatsächlich sechs Jahre bei den Bayern bleibt, geht auch er als Hundertjähriger.
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