piwik no script img

Maurice Höfgen Was kostet die Welt?Hitzeschutz ist mitnichten nur ein grünes Klimathema, sondern ein rotes Gerechtigkeitsthema

Foto: Olaf Krositz

Hitzewellen sind eines der vielen hässlichen Gesichter des Klimawandels. Und eines mit fatalen Folgen, die bereits hier und heute spürbar werden durch Hitzetote und Waldbrände. Schulen und Kindergärten müssen zuweilen schließen, Arbeitnehmer fallen wegen der Hitze aus, und so stockt auch die Produktion, es kommt zu Blackouts, Infrastrukturschäden, steigenden Logistikkosten, die Produktivität sinkt – wirtschaftlich gesehen sind das: Kosten, Kosten, Kosten.

Die International Labour Organization ILO rechnet in den kommenden sechs Jahren mit 80 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen, die der Welt durch Hitzeextreme verloren gehen könnten. „Es wird erwartet, dass Hitzestress am Arbeitsplatz die Weltwirtschaft im Jahr 2030 2,4 Billionen US-Dollar kosten wird“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres bei der Vorstellung einer Hitzestudie der ILO vor einem Jahr.

Dieser Ausblick sollte die neue Bundesregierung eigentlich alarmieren. Schließlich will Bundeskanzler Merz, dass in Deutschland wieder mehr und produktiver gearbeitet wird. Dafür aber müsste er das Land für Hitzewellen wappnen, die durch den Klimawandel immer häufiger auftreten.

Zumal die Bevölkerung immer älter – und damit anfälliger – wird. Gerade Altenheime und Krankenhäuser sind schlecht vorbereitet, weil die Gebäude alt, schlecht gedämmt und oftmals ohne Klimaanlagen ausgestattet sind. Sozialverbände und die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderten deshalb mehr Investi­tio­nen und Fördermittel für Hitzeschutz von vulnerablen Gruppen.

Hinzu kommt: Wer wie stark unter Hitzewellen leidet, ist eine Klassenfrage. Während Investmentbanker im klimatisierten Büro ihren Geschäften nachgehen, quälen sich Pflegekräfte und Bauarbeiter durch die Hitze. Hitzeschutz ist mitnichten nur ein grünes Klimathema, sondern ein rotes Gerechtigkeitsthema. Eines, in dem sich SPD, Linke und Gewerkschaften in Zukunft profilieren könnten – und sollten.

Bisher bleibt Hitze aber unterschätzt, und kaum sind die Temperaturen erträglicher, sind die drastischen Hitzekosten wieder verdrängt. Es gab keine Talkshows zur Primetime, keine aktuelle Stunde im Bundestag, keine ambitionierten Pläne für mehr Hitzeschutz oder striktere Regeln am Arbeitsplatz, etwa durch ein Recht auf Hitzefrei, flexiblere Arbeitszeiten oder Sonnenschutz.

Zwar gibt es seit 2023 einen Hitzeschutzplan vom Bundesgesundheitsministerium, allerdings sind die Vorgaben kaum verpflichtend und damit wirkungslos – zumal der Plan kein öffentliches Geld zur Finanzierung von Hitzeschutzprojekten beinhaltet. In den Bundesländern, die maßgeblich verantwortlich sind, gibt es zwar einzelne Förderprogramme, allerdings meist nur im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung von Häusern. Schön für Wohlhabende mit Einfamilienhäusern, aber selten eine realistische Abhilfe für einfache Mieter!

Wirksamer Hitzeschutz muss mit ernsthaft viel Geld hinterlegt werden

Wirksamer Hitzeschutz muss aus einer Hand kommen und mit ernsthaft viel Geld hinterlegt werden, mit eigenen Förderprogrammen, ähnlich zum Heizungstausch oder zum klimafreundlichen Neubau. Geld dafür könnte aus dem Klimatransformationsfonds des Bundes kommen. In Förderprogrammen für den Einbau von Klimaanlagen und Sonnenrollos an Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Pflegeheimen wären sie besser eingesetzt als in der Abschaffung der Gasumlage – oder als Ersatz für die Steuereinnahmen, die den Ländern durch die Unternehmensteuersenkung wegfallen.

Maurice Höfgen, 28, ist Autor und Ökonom. Hier überlegt er einmal monatlich, wie sich wirtschaftliche Utopien umsetzen ließen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen