Historischer Umfrage-Tiefstand: SPD bekämpft die Sozis
Die Sozialdemokraten eröffnen einen neuen Kriegsschauplatz: die eigene Wahlkampfzentrale. Laut Forsa-Umfrage liegt die SPD nur noch fünf Prozentpunkte vor der Partei Die Linke.
Die Zahlen sind spektakulär: Nur noch 20 Prozent wollen, laut einer Forsa-Umfrage, die SPD wählen. Das ist ein historischer Tiefstand. Besonders gravierend wirkt, dass nur noch 17 Prozent der Männer die SPD wählen würden - eben so viele entschieden sich laut Forsa für die Linkspartei entscheiden. Forsa-Chef Manfred Güllner bezeichnete die Zahlen als einen "nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt." Bei der SPD steht Güllner allerdings in dem Ruf, eine Kampagne gegen die Partei zu betreiben.
In der Tat gibt es auch andere Zahlen. Das als konservativ geltende Allensbach-Institut veröffentlichte vor zehn Tagen weniger dramatische Werte. Demnach kam die SPD auf 28, 2 Prozent, das waren 1,4 Prozent mehr als im Vormonat. Auch dies sind trostlose Werte - aber ohne die Superlative der Forsa-Daten.
Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, meinte am Mittwoch, dass nur "mehr Geschlossenheit aus dem Umfragetief" heraus führt. Auch SPD-Linke, wie Andrea Nahles und Karl Lauterbach, hatten in internen Grabenkämpfen die Ursache des derzeit schlechten Images der SPD ausgemacht.
Dazu kommen neue Querelen in der SPD-Parteizentrale. Es geht um die Wahlkampfzentrale "Kampa 09", deren Kern Generalsekretär Hubertus Heil, der SPD-Bundesgeschäftsführer Martin Gorholt und ein Experte von außen sein soll. Der wird erst bestimmt, wenn klar ist, ob Kurt Beck oder Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat der SPD wird. Das will Beck Ende des Jahres entscheiden.
Heil sieht sich als Chef der Kampa 09 - doch offenbar trauen manche im Willy-Brandt-Haus ihm diese Führungsrolle nicht zu. Seit Montag machen nun Gerüchte die Runde, gefolgt von Dementis. So vermuteten manche in der SPD-Zentrale, dass der externe Experte in der Kampa eine Entmachtung des auch intern kritisierten SPD-Pressesprechers Lars Kühn bedeute - was Heil als "absoluten Quatsch" zurück wies. Gerüchten zufolge soll zudem der Steinmeier-Berater Ulrich Deupmann als jener externer Berater im Gespräch sein - was als Vorentscheidung über die Kanzlerkandiatur verstanden wird. Außerdem sind offenbar viele im Willy-Brandt-Haus mit Martin Gorholt unzufrieden.
Viele Gerüchte, wenig Klarheit. Sicher ist, so ein Mitarbeiter der SPD-Parteizentrale, ist, dass "es im Willy-Brandt-Haus viel Durchstecherei" gibt. Bemerkenswert ist zudem, dass bei den Auseinandersetzungen eher um Personalien und persönliche Vorbehalte geht - und kaum um einen Kampf der politische Flügel um die strategisch wichtige Besetzung der Kampa 09. Die SPD versicherte, dass es den "vermeintlichen Machtkampf im Willy-Brandt-Haus" nicht gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter