Historiker mit Vergangenheit: Theorie und Praxis
Der NSDAP-Experte Michael Buddrus vom Institut für Zeitgeschichte in München war in seinem Vorleben in der DDR für die Staatssicherheit tätig.
BERLIN taz | Als „selbstbewußten Mecklenburger" hat ihn Rainer Blasius beschrieben, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Als „Experte für Jugendpolitik in zwei Diktaturen" habe sich der Historiker Michael Buddrus profiliert.
An der ersten Beschreibung ist etwas dran, Buddrus wurde 1957 in Bad Doberan unweit von Rostock und der Ostsee geboren und hat inzwischen viel über die Geschichte Mecklenburgs geforscht und publiziert. Was seine Kennerschaft der Jugend in totalitären politischen Systemen angeht, ist es etwas komplizierter. Im Falle der DDR lässt sich die Methode von Buddrus, der seit 1994 für das Institut für Zeitgeschichte in Berlin arbeitet, als „teilnehmende Beobachtung" beschreiben.
Buddrus trat 1978 im Alter von 21 Jahren in die SED ein und spielte beim Rostocker Studentenkabarett „ROhrSTOCK" die Gitarre. Er studierte an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin Geschichte und konnte sich ab 1983 Diplom-Historiker nennen. Während er an seiner Promotion arbeitete, war er auch für die Freie Deutsche Jugend (FDJ) tätig.
Gleichzeitig war Buddrus, laut Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), zumindest seit 1979 als „IME" aktiv, als „Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz". Die Rostocker Stasi-Bezirksverwaltung führte ihn unter dem Decknamen „Sänger". Berichte eines IME „Sänger" tauchen wiederum in den Akten eines der Stasi verdächtigen Mitkabarettisten von Buddrus auf.
1982 berichtete Buddrus-Sänger einem Oberleutnant Ullmann von der Abteilung XV des MfS viele Details aus dem Privatleben einer Kommilitonin, die ebenfalls der Kabarettgruppe angehörte. Zu ihrer politischen Haltung sagte er: „Hat eine oft sehr kritische, um nicht zu sagen meckerhafte Haltung zu unserem Staat." Diskussionen über politische Grundsatzfragen verweigere sie sich mit der Begründung: „Es ändert sich sowieso nichts und ist sowieso egal, ob man darüber redet oder nicht."
Ein Oberst der für die Auslandsspionage zuständigen Hauptverwaltung Aufklärung des MfS bestätigte noch gut zwei Wochen vor dem Fall der Mauer, am 25. Oktober 1989: „Dr. Buddrus wird als zuverlässig eingeschätzt und leistet eine ehrliche Zusammenarbeit mit seiner Diensteinheit."
Das Institut für Zeitgeschichte in München hat, laut Bestellzettel der Buddrus-Akten, schon vor Jahren jemanden in die Stasi-Akten-Behörde entsandt, um das Vorleben ihres Mitarbeiters Buddrus zu erforschen. Offenbar waren die Münchner Historiker nachsichtig und werteten die Spitzeldienste ihres Kollegen als lässliche Sünde eines jungen Mannes.
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