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■ HistorieArbeitsmarktpolitik

Die Verordnung vom 5.3.93, die Deutsche, EG-Angehörige und Ausländer mit besonderer Arbeitserlaubnis bevorrechtigt, ist nicht neu. Schon 1973 wurde sie aus der Schublade gezogen, als die Ölkrise eine schwere Rezession einzuleiten drohte. Der Widerstand der Gewerkschaften und der Druck „linker“ Arbeitnehmerflügel bei den großen Parteien war jedoch damals so groß, daß dieses Papier wieder in der Schublade verschwand. Die Urheber beziehen sich auf den Paragraphen 19 des Arbeitsförderungsgesetzes, dessen inhaltliche Ausführungen die Bundesanstalt für Arbeit mittels Erlassen immer mit denselben Worten beginnen läßt: „Auf Grund der Lage und Situation des Arbeitsmarktes ...“ Tatsächlich ist in diesem Paragraph 19 an keiner Stelle von einer Bevorzugung die Rede, aber von der Abhängigkeit der Arbeitserlaubnis für „einzelne Personengruppen“ von der Aufenthaltsdauer und der Beschränkung auf „bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige“.

Eine Verordnung „über ausländische Arbeitnehmer“ wurde vor fast 60 Jahren noch vor der Machtübernahme Hitlers vom damaligen Präsidenten der „Reichsanstalt für Arbeit“, Dr. Friedrich Syrup, im vorauseilenden Gehorsam verabschiedet. Er beruft sich ebenfalls „auf die Bedürfnisse der inländischen Wirtschaft und die Lage des inländischen Arbeitsmarktes“. Zum ersten Mal seit Bestehen der Reichsanstalt (1927) werden darin der Besitz einer „Arbeitserlaubnis“ für ausländische Arbeitnehmer und eine „Beschäftigungsgenehmigung“ für Arbeitgeber zwingend vorgeschrieben. Sieht man sich die Bevorzugung irgendwelcher Personengruppen in der Arbeitsvermittlung an, so war noch 1930 in den zehn Leitsätzen der Reichsanstalt ausdrücklich festgelegt worden, daß eine derartige Ausgrenzung nicht statthaft sei, es sei denn aus sozialen Gründen.

Doch schon mit dem Anlaufen des Reinhardtsprogramms, einer umfangreichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (Frühsommer 1933) wies das NS-Regime die Reichsanstalt an, bei der Vermittlung „Angehörige nationaler Verbände vorweg zu berücksichtigen“. Ähnliche Erlasse folgten.

Bekannt ist ja die Sondergesetzgebung gegen in- und ausländische Juden, die in zahlreichen Sondererlassen vom Arbeitsmarkt bis 1936 ausgeschlossen wurden und ab 1938 mit Einführung der Zwangsbeschäftigung durch Zusammenarbeit von Reichsarbeitsämtern und Polizeibehörden direkt in Arbeits- oder Konzentrationslager eingewiesen werden konnten.

Weniger bekannt dürfte dagegen sein, wie unmittelbar sich der von den Nazis öffentlich geschürte Haß gegen die Juden vom Kopf auf die Feder deutscher Bürokraten übertrug. Der Leiter des damaligen Arbeitsamtes Mannheim schrieb in einer Anordnung vom 4. Juli 1935: „Vermittlung von Juden. – Einer Vermittlung von Juden durch das Arbeitsamt – auch bei namentlicher Aufforderung – wird die Öffentlichkeit nie Verständnis entgegenbringen, da dies politisch zu berechtigten Unruhen arbeitsloser Kameraden führt. Das Arbeitsamt als öffentliche Behörde ist verpflichtet, in erster Linie die Volksgenossen arischer Abstammung zu vermitteln, zumal die Arbeitslosigkeit von den Juden verursacht wurde.“Pietro Dolomaro

Lektüre: „Reichsarbeitsblätter“ I–X (Bibliotheken), „Recht und Verwaltung im NS-Staat“ (Diemut Majer), „Arbeitsmarkt und Sondererlaß“ (Detlev Maier u.a.)

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