Hilferuf an den Senat: Kurz vor der Kapitulation
Die Sozialpädagogischen Dienste der Jugendämter seien kaum noch arbeitsfähig, heisst es in einem Brandbrief aus den Bezirken.
Mitarbeiter der Jugendämter hissen die weiße Flagge, die LeiterInnen der Jugendämter sprechen von „verheerenden Folgen“ des Personalabbaus, der Kinderschutzbund fordert ein Umdenken – seit über einem Jahr schlagen alle diese Stellen Alarm. Eine Woche, bevor im Abgeordnetenhaus der neue Landeshaushalt beschlossen wird, fordern die Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse fast aller Bezirke nun in einem Brandbrief an die Abgeordneten mehr Mittel im Kinder- und Jugendbereich.
In einem ersten Brandbrief im November 2012 wurde schon einmal eine Neuregelung der Finanzierung der Jugendarbeit sowie eine Mindestpersonalausstattung für die Regionalen Sozialpädagogischen Dienste der Jugendämter gefordert. Letztere seien in vielen Bezirken kaum noch arbeitsfähig, heißt es nun. Die Regionalen Sozialpädagogischen Dienste (RSD) sind die Anlaufstellen der Jugendämter für Eltern, Kinder und Jugendliche mit familiären Problemen.
120 Fälle pro Mitarbeiter
Die MitarbeiterInnen des RSD am Gesundbrunnen hatten bereits am vergangenen Freitag weiße Fahnen gehisst. „Kinderschutz braucht Kinderschützer“, steht noch immer mahnend in einigen Fenstern des Gebäudes. Bis zu 120 Fälle betreute jede der rund 20 SozialarbeiterInnen des RSD hier im Kiez, erzählt eine der Mitarbeiterinnen, die anonym bleiben möchte. „Dabei fängt man schon ab 45 Fällen an zu schwimmen.“ Erst in der vergangenen Woche sei eine Kollegin unter der Arbeitslast zusammengebrochen.
„Wir sichern die Kinder, denen akut geholfen werden muss“, so die Mitarbeiterin. Aber für die Unterstützung von Familien, in denen es noch keine akute Bedrohung gebe, und für Prävention an Schulen bleibe kaum mehr Zeit.
Auch Marijke Höppner (SPD), Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses in Tempelhof-Schöneberg, berichtet von einer „sehr kritischen“ Situation des RSD in ihrem Bezirk. Seitdem die von der Senatsbildungsverwaltung geforderten Kürzungen umgesetzt wurden, könne man kaum noch einer Familie gerecht werden. Ohne die im Brandbrief geforderten und zunächst vom Senat in Aussicht gestellten zusätzlichen 11 Millionen Euro könne man auch die Anforderungen in der präventiven Jugendarbeit nicht länger erfüllen.
In der Senatsbildungsverwaltung habe man die Forderung nach zusätzlichen Mitteln unterstützt. „Es sieht aber leider nicht so aus, als seien die im aktuellen Entwurf für den Landeshaushalt enthalten“, heißt es aus der Bildungsverwaltung gegenüber der taz. Dass der Brandbrief daran noch etwas ändere, sei eine Woche vor dem Haushaltsbeschluss im Abgeordnetenhaus ziemlich unwahrscheinlich.
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