Hilfe gegen Landminen: Mit einem Luftschiff auf Minensuche
Ingenieure der FernUni Hagen entwickeln einen neuartigen Zeppelin, der automatisch aus sicherer Entfernung nach Landminen spät. Die Herausforderung: Er muss sehr langsam fliegen.
Bis zu 20.000 Menschen fallen laut der "International Campaign to Ban Landmines" jedes Jahr Explosionen von Landminen zum Opfer. Diejenigen, die überleben, werden oft verstümmelt. Hilfsorganisationen schätzen, dass von den Opfern über 30 Prozent Kinder sind. Bislang wurden Minen entweder per Hand gefährlich und aufwendig gesucht und entschärft oder oft nicht zuverlässig genug von schwerem militärischen Räumgerät beseitigt. Viele Minenfelder allerdings bleiben über Jahre eine Gefahr für die oft sowieso unter Kriegsfolgen leidende Bevölkerung.
Das Lehrgebiet Prozesssteuerung und Regelungstechnik der FernUniversität in Hagen entwickelt nun ein Luftschiff, mit dem Minen über größere Entfernungen ohne direkte Berührung durch Menschen unschädlich gemacht werden sollen. Kein gewöhnlicher Zeppelin, wie man ihn von Aufnahmen aus den 1930er-Jahren kennt, soll dabei zum Einsatz kommen, sondern ein sogenannter Blimp.
Im Gegensatz zu seinem historischen Vorbild besitzt das auch Prallluftschiff genannte Fortbewegungsmittel kein metallenes Innenskelett. Ein verhältnismäßig kleines mit Helium befülltes Luftschiff wurde nun bereits von den westfälischen Wissenschaftlern im beschaulichen Hemer in einer stillgelegten Bundeswehrkaserne getestet.
Der autonom agierende Roboter, mit einer Webcam ausgestattet, absolvierte bereits anspruchsvolle Testflüge. Denn wenn in Zukunft neun Meter lange Blimps, die in Kooperation mit der Technischen Universität Prag entwickelt werden, sieben Kilo Nutzlast tragen und eine Höchstgeschwindigkeit von 45 Kilometer pro Stunde erreichen, soll die Steuerungstechnik präzise arbeiten.
Da der minenverseuchte Boden durch speziell entwickelte Sensoren mit Hilfe von Mikrowellen abgetastet wird, muss sich das Luftschiff auch extrem langsam vorwärtsbewegen können. "Nur ein Blimp hält die Messgeräte lange genug in der Luft, um ganze Minenfelder abzuscannen", so Michael Gerke von der FernUni.
Die Koordinaten der gefundenen Minen werden als GPS-Daten in Landkarten vermerkt. Hierbei wird die Technik genutzt, die in jedem handelsüblichen Navigationsgerät eingesetzt wird. Die Luftschiffe können sogar neue Karten erstellen. Denn viele Länder, in denen Minen die Bevölkerung bedrohen, sind nicht hinreichend kartografisch erfasst. Wenn dann die Minen aufgespürt sind, können sie von einem Hochleistungslaser, der in einem gepanzerten Fahrzeug untergebracht ist, unschädlich gemacht werden.
Als weitere Einsatzmöglichkeit für die High-Tech-Luftschiffe sehen die Forscher der Hagener FernUniversität die Waldbrandbekämpfung. Gerade nach erfolgten Löscharbeiten ist es für die Hilfskräfte oft schwierig, Brandnester ausfindig zu machen. Die Blimps können mit Wärmebildkamera oder mit einer angepassten Mikrowellensensorik ausgestattet werden, die bis ins Unterholz blicken kann.
So kann sich in Zukunft auch das Image des Luftschiffes wandeln. Wurde es im Ersten Weltkrieg militärisch eingesetzt, dient es bald dazu, die Welt zumindest im bescheidenen Maßstab von Waffen zu befreien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!