Hetze gegen Ausländer lässt nach: Tausende verlassen Südafrika
Langsam bekommt das Militär die Übergriffe gegen Ausländer in den Griff. Während Tausende in ihre Heimatländer zurückkehren, beginnt die Debatte über die Ursachen des Fremdenhasses.
JOHANNESBURG taz Die Gewaltwelle in den südafrikanischen Townships ist am Montag nach rund zwei Wochen endlich abgeebbt. Dennoch bleibt die Lage angespannt. Soldaten helfen den überforderten Polizisten, vereinzelt aufflammende Angriffe auf Ausländer schnell abzuwehren.
Die vor ihren Nachbarn Geflohenen drängeln sich nun in den Nothilfezentren und kämpfen um ihre Versorgung. Nahrungsmittel und Wasser sind knapp, es fehlen Decken gegen die Winterkälte. In einem Lager bei Kapstadt brachen Rangeleien zwischen somalischen und malawischen Flüchtlingen aus, die um Unterkunft stritten.
In den vergangenen vierzehn Tagen waren bei brutalen Angriffen gegen Ausländer aus afrikanischen Ländern 50 Menschen ums Leben gekommen, über 30.000 sind auf der Flucht vor einheimischen Nachbarn.
Inzwischen haben die Vorbereitungen für den Rücktransport der Flüchtlinge in ihre Heimatländer begonnen. So übernachten in Primrose am Ostrand Johannesburgs rund 2.000 Vertriebene in Zelten auf einem kleinen Feld gegenüber der Polizeistation und warten auf die zur Verfügung gestellten Busse. Bereits 20.000 Mosambikaner sind von ihrer Regierung aus Südafrika heimgeholt und in drei Transitzentren nahe Mosambiks Hauptstadt Maputo untergebracht worden. Busse wurden auch nach Primrose geschickt, doch viele Menschen blieben zurück. Sie hoffen auf den nächsten Tag, der ihre Abreise bringen soll.
Einer von ihnen ist Aaron Manyisa. Seine wenigen Habseligkeiten hat er in schwarze Müllsäcke gestopft, ein paar Decken und Kleidung, die er aus seiner Hütte des nahe gelegenen Townships retten konnte. Das ist alles, was ihm nach 26 Jahren Aufenthalt in Südafrika geblieben ist. Als einheimische Nachbarn seine Hütte stürmen wollten, konnte der 52-jährige Mosambikaner mit seiner Familie entkommen. Seine Frau Rosa trägt das einjährige Kind auf dem Rücken, der achtjährige Shonga sitzt traurig auf den Plastiksäcken. "Ich kann hier nicht bleiben, sie bringen uns um", fürchtet Manyisa, der auch einen südafrikanischen Pass besitzt. Er zählt zu den tausenden von Minenarbeitern, die seit Generationen aus den Nachbarländern kommen und Südafrikas Wirtschaft mit aufbauen. "Familie habe ich in Mosambik, aber wenn wir kein Geld bringen, können wir dort nicht lange bleiben", meint er. "Sie besitzen auch nicht viel." Die Sorge über eine neue Existenz steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Auch Jeremiah Sotja wartet auf Transport in die Heimat nach Malawi. Der 36-Jährige hat seine Pakete geschnürt, auch eine Nähmaschine trägt sein Namensschild, damit sie nicht abhanden kommt. "Die gehörte meinem Bruder, der hat Vorhänge genäht für eine Firma", sagt er leise. Aber Kolings Sotja ist tot, der Mob hat ihn erschlagen. Kaum jemand kann den Rücktransport der Gewaltopfer bezahlen, Kolings Sotja ist in Südafrika armselig beerdigt worden, während seine Frau und Kinder in Malawi trauern.
In der Methodistenkirche in Primrose stapeln sich die Spenden von Geschäftsleuten und Einheimischen aus der Umgebung. Lehrerin Lindsay Thomson packt mit ihren Freundinnen Babynahrung, Seife, Zahnbürsten und Klopapier in einen Klarsichtbeutel. "Die Regierung hat wenig dazugetan, aber die Menschen brauchen Hilfe", sagt sie und unterdrückt ihre Tränen. "Die Frustration über Arbeitslosigkeit und erhöhte Lebensmittelpreise hat sich in Gewalt gegen andere niedergeschlagen", sagt sie. Anfangs waren 4.000 Flüchtlinge in der Kirche, inzwischen sind es weniger. Simbabwer wollen meistens trotz ihrer Angst in Südafrika bleiben. "Aber es überrascht mich nicht, dass die Lage so eskaliert ist, denn die Regierung hat zu spät reagiert". Und die landesweite Kritik mehrt sich auch in Primrose: Präsident Mbeki habe sich nicht bei den Opfern blicken lassen.
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