Hessens Hochschulen: Studiengebühren sind unzulässig
Das Verwaltungsgericht Gießen äußert Zweifel an der Verfassungskonformität der hessischen Studiengebühren. Die Boykottbewegung bekommt Aufwind.
FRANKFURT taz Das wird dem Landtagswahlkämpfer Roland Koch (CDU) überhaupt nicht schmecken: Dass an diesem Donnerstag eine Kammer am Verwaltungsgericht Gießen erneut "erhebliche Zweifel" an der Verfassungskonformität des von Koch und der Union 2006 im Landtag alleine verabschiedeten Landesgesetzes zur Einführung von Studiengebühren geäußert hat.
Die Verwaltungsrichter in Gießen verwiesen nach einer entsprechenden Eilentscheidung von Anfang Oktober in einem anderen Fall jetzt erneut auf den Artikel 59 der Hessischen Landesverfassung. Danach dürfen von Schülern oder Studenten im Rahmen einer gesetzlichen Anordnung nur dann Schulgelder oder Studiengebühren verlangt werden, "wenn es die wirtschaftliche Lage des Schülers oder Studierenden, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen gestattet".
Kochs Landesgesetz unterscheidet aber nicht zwischen monetär potenten Studenten und deren Familien und ärmeren Kommilitonen ohne finanziellen Background daheim. Alle Studierenden an Hoch- und Fachhochschulen mussten zu Beginn des Wintersemesters 500 Euro berappen. Dass das Land Hessen in Härtefällen Darlehen zur Begleichung der fälligen Studiengebühren anbietet, erachteten die Verwaltungsrichter in Gießen in diesem Zusammenhang für "unerheblich".
Verweigert haben die Zahlung der Studiengebühr auch in Hessen nur wenige Studierende. Der Boykottaufruf der Studentenvertretungen überall in Hessen verhallte fast ungehört. Nicht nur der Asta der FH Frankfurt führt das auf die angedrohte Exmatrikulation der Boykotteure durch einige Hochschulpräsidien zurück. Von "massiven Einschüchterungsversuchen" berichteten Studentenvertreter. Die Landesregierung dagegen feierte das Scheitern der Boykottbewegung. Man wähnte sich in der Staatskanzlei in Wiesbaden und im Wissenschaftsministerium schon "so gut wie durch".
Mit den Urteilen von Gießen hat sich der Wind im Land allerdings gedreht. Der Student der Humanmedizin, der jetzt in Gießen vor dem Verwaltungsgericht obsiegte, ist für den Asta der Uni dort jetzt der lebende Beweis dafür, dass es sich lohne, juristisch gegen die Studiengebühren vorzugehen. Das Gericht jedenfalls entschied, dass der Student die Gebühr vorerst nicht bezahlen müsse. Die Hochschulleitung wurde vom Asta denn auch umgehend aufgefordert, die Gerichtsentscheidungen zu respektieren und alle bereits eingetriebenen Studiengebühren "umgehend zurück zu erstatten".
Das verlangen auch die Grünen im Hessischen Landtag. Sie fordern, dass bis zu einer Entscheidung des Staatsgerichtshof keine Studiengebühren mehr eingezogen und die bereits erhobenen zurückgezahlt werden. Koch denkt allerdings nicht daran. Schließlich ist am 27.Januar Landtagswahl. Der Staatsgerichtshof hat eine Entscheidung zum Studienbeitragsgesetz erst für das Frühjahr 2008 in Aussicht gestellt.
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