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Archiv-Artikel

Herthas Mühlen mahlen mühsam

Ein knappes 2:1 beschert Hertha BSC den Punktgewinn gegen Alemannia Aachen. Wieder passten sich die Herthaner in ihrem Spiel chamäleonartig an, diesmal einem Gegner auf dem Abstiegsplatz. Manager Dieter Hoeneß feierte trotzdem das Team

VON JOHANNES KOPP

Dick van Burik setzt auf schnelles Vergessen. „In zwei Wochen fragt keiner mehr, wie das zustande gekommen ist“, erklärte der Berliner Abwehrspieler nach dem mühseligen 2:1-Sieg gegen Alemannia Aachen.

Herthas Manager Dieter Hoeneß scherte sich schon wenige Minuten nach dem Abpfiff nicht mehr darum. Geschwind hatte er den Punkteertrag mit den Ergebnissen der Konkurrenz verrechnet und verkündete vor den Mikrofonen seine Einschätzung zur Lage. Vor Wochen habe er schon gesagt, in der Tabelle werde sich bald die Spreu vom Weizen trennen. Nun sei es so weit. „Momentan gehören wir zum Weizen“, verkündete Hoeneß stolz. Zum sechsten Platz habe Hertha ein 4-Punkte-Polster geschaffen.

Diese „Spreu und Weizen-Rede“ wirkte einstudiert. Denn wie sonst hätte Hoeneß so schnell Abstand von der dürftigen Bundesligapartie gewinnen können? In Analogie zu Hoeneß’ Bild hatte hier ja Weizen gegen Spreu gespielt, steht doch Aachen im Abstiegskampf. Nur war in dieser Begegnung kaum ein Unterschied zwischen beiden festzustellen. Insbesondere in der ersten Halbzeit behakten sich beide Teams so intensiv wie einfallslos im Mittelfeld.

Gegen vermeintlich schwächere Kontrahenten ließen sich die Berliner schon in Spielen zuvor nicht als das bessere Team aussieben. Hertha passt sich chamäleonartig seinem Gegner an. „Das sind irgendwie komische Spiele“, bemerkte Malik Fathi. Die Einstellung und das Engagement würden ja stimmen. Woran es aber hapert, wusste Fathi nicht zu erklären.

Auffällig ist der ähnliche Verlauf dieser Begegnungen: Hertha geht in Führung, zieht sich daraufhin zurück und kassiert binnen kurzer Zeit den Gegentreffer. Die ausführenden Akteure in dem festgelegten Rollenspiel hießen dieses Mal Marko Pantelic und Matthias Lehmann.

Der Berliner Trainer Falko Götz tobte am Seitenrand. Obwohl er sich in der Vergangenheit schon des Öfteren eine Wiederaufführung dieses Stücks aus dem Hertha-Repertoire verbeten hatte, musste er es sich nun erneut mit ansehen. Götz ärgerte besonders, dass der Ausgleich kurz vor der Halbzeitpause fiel. Wütend malträtierte er eine auf dem Boden liegende leere Plastikflasche. In der zweiten Halbzeit wäre es beinahe zur Wiederholung der Wiederholung gekommen. Nachdem Ashkan Dejagah in der 62. Minute nach Flanke von Fathi per Kopf das 2:1 erzielt hatte, überließ man erneut Aachen die Initiative. Götz ahnte Schlimmes und bot mit der Einwechslung von Amadeus Wallschläger und Robert Müller zu guter Letzt sechs Abwehrspieler gegen den Zweitligaaufsteiger auf. Hertha erzitterte sich den Sieg. Am Ende war es das erste Bundesligator des 20-jährigen Dejagah, das Hertha nach Diktion von Hoeneß zum Weizen werden ließ.

Doch genau diese Torszene zeigt, dass es auch einigen Glücks zur Veredelung in der Bundesliga bedarf. Aachen hatte lediglich einen Fehler zu viel gemacht. Als Dejagah zum Kopfball ansetzte, war Aachens Torhüter Kristian Nicht weder bei diesem noch im Tor. Seine unentschlossene Zwischenposition bescherte den Berlinern den Sieg. Nicht zu Unrecht sprach Aachens Trainer Michael Frontzeck im Nachhinein von einer „unglücklichen Niederlage“. Die Leistungsdichte der Liga ist derzeit so groß, dass solche Fehler den Unterschied zwischen Weizen und Spreu ausmachen.

Falko Götz ist erfreut, dass sich seine Mannschaft trotz vieler Spielerausfälle im oberen Tabellendrittel behaupten kann. Und so bemerkte er verheißungsvoll: „Wenn wir die Tabelle anschauen, erkennen wir: So langsam passiert etwas.“ Konkretisieren wollte er seine Aussage nicht. Zielsetzungen sind weiter tabu bei Hertha. Hauptsache: Weizen statt Spreu.