■ Herta Däubler-Gmelin wird Verfassungsrichterin: Karriere durch Niederlage
Die SPD schlägt Herta Däubler-Gmelin für die Mahrenholz-Nachfolge vor. Sie wird Verfassungsrichterin und, wenn die beiden großen Parteien bei ihren Gewohnheiten bleiben, später sogar Präsidentin des Obersten Gerichts. Wenn Roman Herzog, amtierender Präsident in Karlsruhe, Ende 1995 in Pension geht, könnte die ewige Stellvertreterin endlich einmal die Erste sein.
Es ist gut, daß eine weitere Frau in die Riege der Verfassungshüter vorstößt, und zudem eine, die ihre Sache verstehen wird. Daß die sozialdemokratische KandidatInnenenkür ein gutes Ende genommen hat, kann aber ihren seltsamen Anfang und ihren peinlichen Verlauf nicht überdecken. Dabei ist noch das geringste Übel, wie sehr in diesem Fall ruchbar geworden ist, daß die unabhängigen Karlsruher Richter über Parteienproporz und niedere Parteiinteressen in ihre Ämter kommen. So ist das eben, und womöglich hat es einen aufklärerischen Effekt, wenn das fürs Publikum in aller Peinlichkeit sichtbar wird. Mich persönlich läßt auch das Geschrei, noch nie sei ein Verfassungsrichter so direkt aus der Parteienfront gekommen, relativ kalt. Wenn Frauen was werden, dann nur auf Umwegen. Der Fall Herta Däubler-Gmelin beweist es drastisch.
Das erste Kapitel der Geschichte: Däubler-Gmelin lehnt die erste Anfrage, ob sie nach Karlsruhe wolle, ab. Ob das richtig war, sei dahingestellt. Aber verstehen wird es jede: Wer willigt schon gern freiwillig ein, abgeschoben zu werden? Vor allem hätte die erste Frau der SPD sich eingestehen müssen, daß sie politisch gescheitert ist. Nach der Niederlage im November 1991, als sie den Kampf um den Fraktionsvorsitz gegen Hans-Ulrich Klose verlor, war für die stellvertretende Fraktions- und Parteivorsitzende eine unsichtbare Grenze gezogen: bis hierher und nicht weiter. Sie selbst hat diese Grenze offenbar erst erkannt, als eine andere Frau sie zu überholen drohte – das war das unrühmliche dritte Kapitel der Geschichte. Das zweite: Kaum hat die Frau, die nicht zu übergehen war, abgewinkt, verständigt man sich in alter sozialdemokratischer Gemütlichkeit auf einen Mann. Erst als von den SPD-Frauen eine weitere Kandidatin mit Qualifikation präsentiert wird, bricht die Diskussion noch einmal auf. Ist der Verdacht abwegig, daß die Parteigremien mit dem „Frauenargument“ lässiger umgegangen wären, wenn nicht gerade aus Karlsruhe das 218-Unheil drohte?
Das letzte Kapitel steht noch aus. Die Union muß die Kandidatin schlucken. Und dann kommt die nächste Geschichte: Wer wird Nachfolgerin von Däubler- Gmelin und als ständige Stellvertreterin die neue erste Frau der SPD werden? Vermutlich wird es bei dieser Kür nicht viel vornehmer zugehen. Tissy Bruns
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