Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier: Bock auf Rock
Am 13. April beginnt die Heilig-Rock-Wallfahrt. Zu ihrem 500. Jubiläum erwartet die Stadt Trier bis zu einer halben Million Besucher.
Röcke gibt es in aller Herren Länder. „Heilige Röcke“ finden sich hingegen weltweit „nur“ 57 Mal. Ein heiliger Rock, das ist ein Teil der Tunika Christi. Von England und Spanien bis nach Russland und ins Heilige Land melden insgesamt 57 Orte, Teile dieser Tunika Christi zu besitzen. Also Teile des Gewandes, das Jesus Christus bei der Kreuzigung getragen haben soll.
Im Mittelalter glaubte man, dass Mini-Teile einer Reliquie dieselbe Kraft hätten wie das Original. Oft wurde daher ein auch noch so kleiner Teil von Original-Reliquien abgetrennt und an eine Kirche oder ein Kloster weitergegeben. Nachweise zur Echtheit der 57 vermeintlichen Röcke Jesu gibt es keine.
Aber: die Tuchreliquie in Trier wurde 1515 von Papst Leo X. als authentisch anerkannt. Und auch heute glauben viele an die segensspendende Wirkung des Gewandes: Der Trierer Theologe und Kunsthistoriker Groß-Morgen, der das Dom-Museum Trier leitet, hält den Trierer Rock von Material, Bestand, und Wallfahrt her für die bedeutendste Rock-Reliquie Europas.
Seelenheil durch ein Stück Stoff?
2012 jährt sich die erste Zeigung des „Heiligen Rockes“ in Zusammenhang mit dem Reichstag in Trier 1512 zum 500. Mal. Motto der diesjährigen Wallfahrt ist: „Und führe zusammen, was getrennt ist.“ Neu ist der ökumenische Ansatz. Erstmals beteiligen sich auch Vertreter der Evangelischen Kirche im Rheinland, obgleich sich das Reliquienverständnis der protestantischen Kirche stark von dem der katholischen Glaubensbrüder- und schwestern unterscheidet.
Heilswirkung durch ein Stück Stoff, das gibt es bei den Protestanten nicht. Aber auch für die Evangelen ist der Rock ein Symbol für ökumenische Einheit. Und auf die Gemeinsamkeiten wollen sich die Kirchen in Zeiten zurückgehender Mitgliederzahlen konzentrieren. Laut dpa-Meldung werden in Trier dieses Jahr an die 500.000 Besucher erwartet.
Kirchen, Kultur und Konsum
Nicht nur für das geistliche, sondern auch für das kulturelle Wohl der Pilgerer soll gesorgt werden: Neben thematischen Führungen und einem Symposium werden unter anderem Ausstellungen, Theater- und Filmvorführungen angeboten. Auch Kitsch und Konsum fehlen nicht.
Der Wallfahrtsladen bietet zum Beispiel neben einer Brotdose mit heiligem-Rock-Logo für 3,80 Euro auch einen Pilgerhut, einen Jutebeutel und eine Feingoldmedaille zum stolzen Preis von 799,00 Euro an. Laut eigener Internetpräsenz gibt es eine große Auswahl an Erinnerungsstücken, die lange Freude bereiten, im Alltag begleiten und auch Freunde, Verwandte und Bekannte berühren.
Und selbst eine Modenschau wird es geben. Auszubildende der Caritas stellen sie frei nach dem Motto „Nähen macht Bock auf Rock“ auf die Beine. Na dann: Halleluja!
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