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Archiv-Artikel

Haute Couture Die Eleganz einer aufrechten Sphinx, verpackt in einen kleinen Panzer

Prachtentfaltung: John Galliano, Chefdesigner bei Dior, eröffnet die Haute-Couture-Schauen in Paris

Ha, die Pose! Es schiebt sich die Hüfte vor bei Diors „Ligne H“, der Oberkörper hingegen biegt sich schilfgleich zurück. Die Hände sind in den Rücken gestützt und der Kopf ist vorn, gerade und stolz. John Galliano hat für die Haute Couture des Sommers 2004 eine Reise gemacht, nach Ägypten und zurück zu Diors Entwürfen der 50er-Jahre.

Weniger jedoch als von den verschiedenen Silhouetten war Galliano von der Haltung der Damen fasziniert. Das Ergebnis ist die Eleganz der aufrechten Sphinx. In dieser tiefen Biegung lässt sich noch jede Silhouette tragen – ob das Volumen in übereinandergelagerten Seidentaftvolants unten weit um das Bein spielt oder ob die Silhouette schmal ist bis auf die Drapierung um Hals und Schultern. Meist aber ist die Fülle des Stoffs vorn: Der Cul de Paris hat es auf die andere Seite geschafft. Das Korsett gibt jedem Entwurf Gallianos seine spezielle Gestalt, und auch später noch, als die Models backstage längst befreit worden sind, hängen die schweren Roben dort in ihrer Form: ein aus abertausenden aufgestickten Perlen geformter hellblauer Kokon, der in eine gigantische, puderfarbene Wolke von Chiffon übergeht; ein vorn ausladender Kubus aus goldenen Plättchchen; die mit korallenroten Perlen bestickte Korsage, ein kleiner Panzer, der unter der Taille in einem weiten Rock aus Tüllbahnen mündet.

700 Stunden Arbeit an einem einzelnen Kleid! Nach der Prachtentfaltung bei Dior im Polo de Paris haben es die anderen Schauen schwer. Für Torrente hat der 28-jährige Julien Fournié einen kaleidoskopischen Blick auf das Feminine geworfen und Entwürfe geschaffen, die munter zitieren, was die Geschichte der Mode zu bieten hat. Es sind wunderschöne Entwürfe dabei, einiges ist so schlicht und every day, dass es fast wie Prêt-à-porter scheint. Anderes weniger, wie die drei Meter lange Krinoline aus cremefarbenem Seidentaft auf geschichteten Lagen zitronengelben Tülls. Doch was hat sie mit dem Hemdblusenkleid zu tun, das mit einem fast knöchellangen Schlips und einer schwarzen Gummikonstruktion um die Hüften zu tragen ist?

Adeline André hingegen ist poetischer und stiller. Somnambul kommen die Modelle die Treppen des Louvre heruntergeschlichen, in weißen Gymnastikschuhen auf dem Marmorboden unterwegs wie auf unsicherem Grund. Gewandet sind sie in musterlose, farbkräftige Entwürfe aus Crêpe Georgette; meist im Schrägschnitt gefertigt und durch unerwartete Raffung oder unterlegte Blumen von ihrer Schlichtheit befreit. KATRIN KRUSE