Haushaltsplan wird vorgestellt: Die Spaßbremse für den nächsten Senat
Am Dienstag stellt der Senat seinen Etatentwurf für die Jahre 2012 und 2013 vor. Eine neue Regierung kann den nach der Wahl wieder ändern. Aber Berlin muss sparen, das steht fest.
Worum geht es?
Der Senat entscheidet am Dienstag, wofür er in den kommenden zwei Jahren Geld ausgeben will - und wofür nicht. Berlin ist chronisch pleite und sitzt auf 60 Milliarden Euro Schulden. Deshalb muss die Politik nun verkünden, wo sie die Sparschrauben anziehen will. Trotzdem wird der Schuldenberg zunächst weiter wachsen: 2018 sollen es an die 74 Milliarden Euro sein, hat Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) schon vorab erklärt.
74 Milliarden Euro, wie viel ist das überhaupt?
Viel. 555 Milliarden Fischstäbchen zum Beispiel, wenn man beim Discounter kauft. Zum Vergleich: Der Vorstandschef von VW, Martin Winterkorn, verdiente vergangenes Jahr 9,3 Millionen Euro - etwas mehr als ein Zehntausendstel davon. Das viel gescholtene Griechenland im Übrigen soll - je nach Berechnung - auf einem Schuldenberg von 340 Milliarden Euro sitzen.
Okay. Aber bisher sind wir gut über die Runden gekommen, warum also unnötig sparen?
Leben auf Pump ist grundsätzlich gefährlich - da fehlt der Gesellschaft das Fundament. Außerdem fressen die Zinszahlungen jeden wirtschaftlichen Erfolg auf. Konkret muss Berlin sparen, weil es die Schuldenbremse einhalten muss. Das heißt, ab 2020 darf Berlin keine neuen Kredite aufnehmen, um Jugendprojekte, Bibliotheken, Straßenreparatur und das Schulessen zu bezuschussen.
Und was sagt die Bundesregierung dazu?
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat angekündigt, seinen Kollegen auf Landesebene künftig genau zu beobachten. Berlin wurde eine drohende Haushaltsnotlage attestiert. Bis Oktober muss der Senat mit einem strikten Sanierungsprogramm darlegen, wie er das Haushaltsdefizit von derzeit jährlich etwa 2,0 Milliarden Euro bis 2019 abbauen will.
Und der Haushalt, der am Dienstag vorgestellt wird, ist ein Teil dieses Programms?
Genau. Im Frühjahr hatte Nußbaum erste Eckpunkte vorgestellt. Danach sollten die Senatoren 170 Millionen Euro im nächsten und 220 Millionen Euro im Jahr 2013 sparen.
Hört sich unvorstellbar viel an.
Viel ist es. Aber nicht unvorstellbar: Ungeklärt ist etwa, ob der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) seinen Wählern tatsächlich eine neue Zentral- und Landesbibliothek schenken kann. Ansonsten wird Nußbaum vermutlich jedem seiner Senatskollegen etwas abverlangen. In den Sparplan schon eingerechnet ist, dass die Zahl der Stellen im öffentlichen Dienst von derzeit knapp 106.000 bis 2013 auf 100.000 sinkt.
Oje. Das heißt, man muss in den Bürgerämtern künftig noch länger warten?
Zumindest nicht kürzer. Nußbaum fordert, dass Personal "flexibler" eingesetzt werden soll. Es könnte aber auch länger dauern, bis Radwege genehmigt werden, Steuererklärungen ausgerechnet sind und Urkunden erstellt, weil die Mitarbeiter nicht hinterherkommen. Streit gibt es auch um die Alltagshelfer im Rahmen des öffentlichen geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS). Nußbaum hält nicht viel davon, die Linke hängt an ihrem Projekt.
Da werden sich die Linken freuen, der ÖBS ist doch eines ihrer Vorzeigeprojekte!
Die Linken sehen die Pläne in der Tat kritisch. Jüngst hat Nußbaum es sich mit Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) verscherzt - als er forderte, die Wirtschaftsförderung endlich einmal zu straffen. Wolf konterte, das sei längst geschehen und Nußbaum schlecht informiert.
Wie will die Linke das Sparziel erreichen, immerhin noch als Koalitionspartner der SPD?
Sie bekennt sich zwar zur Konsolidierung des Haushalts, will aber Prioritäten setzen und nicht zu viel im Sozialbereich sparen. Gern verweist sie auf die Bundesebene: Würde dort etwa die Erbschaftssteuer erhöht, könnte mehr für das Land Berlin abfallen. Auch Nußbaum denkt über Steuererhöhungen nach, so schloss er etwa eine höhere Grunderwerbssteuer jüngst nicht aus. Die CDU will jedoch erst Erleichterungen für Unternehmer, um im Gegenzug Steuern einzunehmen. Die Grünen wollen ebenfalls sparen, und zwar rigoros. Wie Spitzenkandidatin Renate Künast die angekündigten Investitionen in die Charité oder in neue Tramlinien finanzieren will, ist unklar. Die Industrie- und Handelskammer wiederum will die zweigliedrige Verwaltung abschaffen, also nur noch eine Entscheidungsebene für Bezirke und Land haben.
Steht Berlin wirklich noch so schlecht da - es geht doch aufwärts mit der Wirtschaft?
In der Tat hat Berlin in den letzten Jahren bereits einiges gespart und Doppelstrukturen abgeschafft. Der Erfolg wird aber im Prinzip vollständig von den jährlichen Zinszahlungen für die laufenden Kredite verschlungen. Nußbaum hat den Bund deshalb aufgefordert, sich über einen Fonds an den Altschulden des Landes zu beteiligen. Was die reichen Länder im Süden Deutschlands davon halten, ist leicht vorstellbar.
Im September wird neu gewählt. Was wird dann aus dem jetzt vorgestellten rot-roten Haushaltsplan?
Der Entwurf muss durchs Abgeordnetenhaus. Eine neue Koalition könnte nach der Wahl theoretisch alles umschreiben. Nur: Die Handlungsspielräume bleiben begrenzt. Spaßig wird die kommende Legislaturperiode für die dann Regierenden auf keinen Fall.
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