: Haushalt in fraglicher Verfassung
Nächste Woche verhandelt das Berliner Verfassungsgericht, ob die aktuelle Finanzplanung des Landes rechtens ist
Ist der Doppelhaushalt 2002/2003 verfassungsgemäß oder nicht? Nein, meinen die Oppositionsfraktionen CDU, Grüne und FDP und reichten vor fast einem Jahr Klage beim Berliner Verfassungsgericht ein. Lange mussten sie warten, bis das Gericht einen Termin ansetzte, doch kürzlich gab es Post: Nächste Woche Donnerstag soll sich im großen Saal des Gerichtshofs klären, ob der Haushalt und damit der rot-rote Sparkurs abgesichert ist.
Zu beantworten ist die Frage: Durfte das Parlament einen Haushalt verabschieden, in dem die Kredite deutlich höher sind als die Investitionen, was den Verfassungsvorgaben widerspricht? Bei der Entscheidung darüber im Abgeordnetenhaus Ende Juni 2002 war es zu einem Eklat gekommen. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hatte der Kritik der Opposition an diesem Missverhältnis Recht gegeben. „In diesem Punkt ist er natürlich eindeutig rechtswidrig“, sagte Sarrazin. Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) widersprach: „Ich erkläre für den Senat, der Haushalt bewegt sich im Rahmen der Verfassung.“ Rot-Rot argumentiert mit einer Störung des gesamtgewirtschaftlichen Gleichgewichts, zur deren Abwehr man so verfahren dürfe.
In einem Fragenkatalog wollte das Verfassungsgerichtshof deshalb von den Oppositionsfraktionen wissen, wie sie den Gesichtspunkt eines „übergesetzlichen Notstands“ werten. Laut Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann gibt es keinen Präzedenzfall, „das ist alles Neuland“. Er hofft, dass das Gericht den Haushalt als nicht verfassungsgemäß einordnet und dem Senat vorgibt, das Missverhältnis zwischen Krediten und Investitionen auszugleichen. Das entspreche der Grünen-Forderung, investitionsstimulierende Maßnahmen anzuschieben.
Auch FDP-Fraktionschef Martin Lindner erhofft sich dieses Urteil: Das würde seine Linie bestätigen, dass der Senat bei seinem Sparkurs noch lange nicht am Ende der Fahnenstange sei, vor allem im öffentlichen Dienst mehr kürzen könnte.
Diese Oppositionsklage gegen den Haushalt 2002/2003 am Landesgerichtshof ist nicht zu verwechseln mit der geplanten Klage des Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dort will Rot-Rot eine extreme Haushaltsnotlage geltend machen und über 30 Milliarden Bundeshilfen erzwingen, um von Berliner Schuldenberg von derzeit 50 Milliarden runterzukommen. Die Klageschrift will der Senat in der ersten Septemberhälfte einreichen lassen.
STEFAN ALBERTI