: Hauptsache gesund
Das Geschlecht des ungeborenen Kindes ist vielen werdenden Eltern egal. Nur gesund soll es sein. Beides lässt sich heute zum Teil schon vor der Geburt ermitteln. Methode: pränatale Diagnostik
VON KATHARINA JABRANE
Wenn der Bauch dick wird, sind die meisten Untersuchungen heutzutage oft schon gelaufen. Bevor man einer Frau ansieht, dass sie schwanger ist, weiß sie möglicherweise bereits, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird oder Zwillinge. Geklärt ist mitunter auch, ob das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit gesund ist. Und 96 bis 98 Prozent aller Kinder kommen sowieso gesund zur Welt. Es geht in der vorgeburtlichen Diagnostik demnach nur um einen sehr geringen Anteil möglicher Behinderungen und Erkrankungen.
Im Prinzip könne „jede Frau, die nicht bereit ist das anzunehmen, was kommt“, die vorgeburtlichen Untersuchungen für sich nutzen, erklärt die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, Ulrike von Haldenwang. Und viele Frauen brauchen für sich einfach die Sicherheit zu wissen, dass mit dem Kind alles in Ordnung sein wird. Unbedingt empfehlenswert sei allerdings – so von Haldenwang – immer eine ausführliche Beratung, in der auch klar wird, was passiert, wenn der Befund kein gesundes Kind verspricht.
Eine besondere Form der Beratung bietet der Steglitzer Verein „Eltern beraten Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung“. Hierher kommen überwiegend Eltern, die nach vorgeburtlichen Untersuchungen erfahren haben, dass sie ein behindertes Kind bekommen. „Wer zu uns kommt, überlegt schon, ob er das Kind haben will“, erzählt Cornelia Menzel von der Beratungsstelle. Eltern erhalten hier „das Angebot, ein Kind mit einer entsprechenden Behinderung kennen zu lernen. Die Begegnungen sind eingebunden in den Alltag des Kindes“.
Ulrike von Haldenwang weiß: „Wer sagen kann, ich nehme, was kommt, wer ein eindeutiges Gefühl zum Kind hat, der braucht keine Untersuchung.“ Für alle anderen gilt, was die Humangenetikerin Heidemarie Neitzel fordert, dass nämlich „vor jeder Pränataldiagnostik eine genetische Beratung stattfinden sollte“; darüber hinaus, „dass vor allem im Vorfeld der Diagnostik gut informiert wird“ – auch über Probleme, die auftreten können.
Im Rahmen der normalen Vorsorge sind drei Ultraschalluntersuchungen vorgesehen. In der 10., 20. und 30. Schwangerschaftswoche werden die Lage, Größe, Entwicklung der Organe und schließlich die Versorgung des Kindes überprüft. So können in einem frühen Stadium der Schwangerschaft Mehrlinge festgestellt werden. Diese Untersuchungen machen viele Gynäkologen routinemäßig.
Die Chorionzottenbiopsie kann von der 9. bis 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Mit einer dünnen Hohlnadel wird dabei durch die Bauchdecke der Schwangeren Gewebe aus der Vorform der Plazenta, dem Chorion, entnommen. Die Chorion-Zellen enthalten dieselben genetischen Informationen wie die des Embryos. Dieser Eingriff wird unter Ultraschall und meist mit örtlicher Betäubung durchgeführt. Bereits nach wenigen Tagen ist ein erster Befund da. Nachgewiesen beziehungsweise ausgeschlossen werden so mehrere Chromosomenabweichungen, einige vererbbare Krankheiten und bestimmte Muskel- und Stoffwechselerkrankungen. Das Fehlgeburtsrisiko liegt, wenn die Untersuchung von Spezialisten ausgeführt wird, bei 0,5 bis 1 Prozent. Seltener kann es zu einer Fehlbildung des Ungeborenen durch die Untersuchung kommen.
Bereits in der 11. bis 13. Schwangerschaftswoche lässt die Laboruntersuchung eines Schwangerschaftseiweißes und eines Schwangerschaftshormons Rückschlüsse auf die statistische Wahrscheinlichkeit eines Down-Syndroms zu. Liegt nach einer Ultraschall- oder Blutuntersuchung ein auffälliger Befund vor, lässt sich beispielsweise auch feststellen, ob ein Kind Trisomien, Mukoviszidose oder andere genetisch bedingte Erkrankungen hat.
In der 12. bis 13. Schwangerschaftswoche kann eine Nackentransparenzmessung vorgenommen werden. Der Embryo hat in diesem Stadium eine flüssigkeitsgefüllte Zone im Nacken, die bei bestimmten Erkrankungen verdickt ist. Neben Chromosomenstörungen können Herzfehler die Ursache dafür sein. Ein auffälliges Untersuchungsergebnis muss aber nicht heißen, dass das Kind einen Chromosomenschaden hat. Viele Kinder sind trotz erhöhter Werte gesund.
Die Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) wird dagegen erst ab der 15. oder 16. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Mit einer Hohlnadel wird durch die Bauchdecke der Schwangeren Fruchtwasser entnommen. Darin enthalten sind Hautzellen und Ausscheidungen des Kindes, sodass nach dem Anlegen einer Zellkultur eine Chromosomenanalyse vorgenommen werden kann. Auch hier besteht ein Risiko von 0,5 bis 1 Prozent, dass die Untersuchung eine spätere Fehlgeburt auslöst. Daneben kann es zu Krämpfen, Blutungen und Fruchtwasserverlust kommen.
Beim Triple-Test in der 16. bis 19. Schwangerschaftswoche wird ebenfalls die Wahrscheinlichkeit ermittelt, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen. Zugrunde gelegt werden drei mütterliche Blutwerte sowie die exakte Schwangerschaftsdauer. Ist der Empfängnistermin nicht genau bekannt, können die Testergebnisse verfälscht werden.
Ebenfalls in der 16. bis 19. Schwangerschaftswoche ist der AFP-(Alpha-Feto-Protein)Test möglich. Ist ein bestimmter Eiweißwert signifikant erhöht, ist beim Kind zum Beispiel ein Bauchwanddefekt denkbar.
Ab der 20. Schwangerschaftswoche lässt sich eine Nabelschnurpunktion durchführen. Dabei entnimmt man Blut aus der Nabelschnur, um chromosomale Veränderungen oder bestimmte Infektionen nachzuweisen. Wird der Eingriff in spezialisierten Zentren vorgenommen, entspricht das Fehlgeburtsrisiko in etwa dem der Amniozentese.
Bei einer Feindiagnostik per Ultraschall in der 20. bis 22. Schwangerschaftswoche werden die Entwicklung der Organe, das Wachstum des Kindes und die Blutversorgung von Gebärmutter und Nabelschnur beurteilt, ebenso Herzfehler. Oft wird diese Untersuchung einfach „sicherheitshalber“ empfohlen.
„Insgesamt gesehen sind die invasiven Untersuchungsmethoden hinsichtlich ihrer Aussage am zuverlässigsten“, weiß Humangenetikerin Heidemarie Neitzel, die zu den Initiatoren des Interdisziplinären Forums Pränataldiagnostik Berlin e. V. gehört. Allerdings stehe dem auch ein Fehlgeburtsrisiko gegenüber. Letztlich müsse jede Frau für sich entscheiden, ob sie eine vorgeburtliche Diagnostik in Anspruch nimmt.