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Happy MondaysDie Hooligans der Raveolution

Kleinkriminelle auf Ecstasy mit einer Nase für den historischen Moment - das waren einst die Happy Mondays. Das neue Album heißt: "Uncle Dysfunktional"

Ziehen ihr Ding durch: Die Happy Mondays und rauchende Omas Bild: dpa

Die meisten Menschen lehnen den Montag ab. Er steht für das Ende des genussvollen Ausnahmezustands: Die Zeit hedonistischer Selbstbestimmung ist vorbei, die alte Leier geht weiter, und darüber sind die Leute alles andere als happy. Für DJs, Raver und Twentyfour-Hour-Party-People sieht die Sache anders aus: Sie bejahen den Montag, sie umarmen ihn sogar, denn für sie ist Montag ganz einfach Sonntag - da ruht man sich aus, da nimmt man andere Drogen als am Wochenende. Der Dienstag ersetzt wiederum den Donnerstag: Leichte Arbeiten können durchaus bewältigt werden. Ab Mittwoch ist man schon wieder "unterwegs".

Einflussreiche Pioniere dieses dem Dionysischen stark zugeneigten, im Extremfall sogar "asozial-hedonistischen" (Diedrich Diederichsen) und in jedem Fall sehr anstrengenden und ungesunden Lebensstils waren (und sind offensichtlich wieder) die Mitglieder der legendären nordenglischen Band Happy Mondays. 15 Jahre nach "Yes Please!", der arg enttäuschenden letzten LP einer deliriös verfallenden Truppe, ist soeben "Uncle Dysfunktional" erschienen, das fünfte offizielle Happy-Mondays-Album. Drei Urmitglieder sind noch dabei: Drummer Gary Whelan, Sänger Shaun Ryder, und Bez, wie gehabt als Bez. Um es vorweg und in ihrem Geiste zu sagen: Die Platte ist ein wirklich amüsantes Stück Scheiße, mit der Routine von dreckigen, alten Fuckern hingelegt, ein beachtlicher Wurf. Die Botschaft kommt an: Es wird weitergemacht. Mit der souveränen Produktion von Howie B., der seinerzeit als Beatschmied von Soul II Soul den entscheidenden Midtempo-Groove erfand, der bald fast jeden Track der florierenden Manchesteraner Rave-Szene unterfütterte, bleibt eine kulturelle Kontinuität erhalten. Er knüpft an die besten Stunden der Band an.

Für die, die dabei waren und sich deshalb nicht erinnern können: Es waren die Jahre 1987 bis allerhöchstens 1992, die Zeit der sogenannten Raveolution. Protegiert von Bernard Albrecht, Mitbesitzer des Clubs Hacienda, nahm der große Zampano und andere Hacienda-Besitzer Tony Wilson die frühen Happy Mondays für sein Factory-Label unter Vertrag. 1987 erschien dort ihre erste, noch von John Cale produzierte LP "Squirrel And G-Man Twenty Four Hour Party People Plastic Face Cant Smile (White Out)".

"Hätte er weniger Orangen gegessen, wäre es lustiger gewesen", kommentierte Shaun Ryder damals die Zusammenarbeit mit Cale in der Spex. Das Musikmagazin, konfrontiert mit sich ändernden Zeitläuften, puschte die Band vehement: Neben dem traditionellen Bandmodell hatte sich eine neue Partei gebildet. DJ- und Dance-orientierte, Sample- und Sequencer-basierte Tracks, Lebens- und Produktionsweisen verdichteten sich zu einem Rollenmodell, dem viele wie oder tatsächlich im Rausch folgten. Damals bildete sich die Ursuppe für die eklektische Stilvielfalt heraus, die noch die Gegenwart prägt. Eine wirklich witzige Zeit. Was haben wir bescheuert getanzt! Die Happy Mondays wurden zur perfekten Konsensgruppe für Spex. Sie waren eine normale weiße Indierock-Band mit Gitarren, benutzten aber bald gesampelte HipHop-Grooves und brachten Bez auf der Bühne in den Vordergrund. Bez war einfach nur sein trippendes Selbst, ein "freaky dancer" mit Rumbanüssen in der Hand und Pillen im Kopf. Er verkörperte das Draufsein der Band als eine Art lebendes Instrument und wirkte sehr inspirierend auf die Jugend von Manchester. Im Norden Englands feiert man von jeher verwegener und härter als im satten Süden. Die Sozialisation der Happy Mondays - Arbeiterklasse, Northern Soul - ist klassisch nordenglisch. Der Gebrauch von leistungsfördernden Substanzen auf dem Dancefloor hat dort Tradition, auch wenn er keinen materiellen Gewinn bringt, dafür aber große Gefühle. Von großen Gefühlen ist es nicht weit zum Fußball, dem anderen, unverzichtbaren Aspekt einer aufrechten nordenglischen Attitüde. Die Happy Mondays waren im Grunde nichts weiter als (zeitweilig) sympathische Hooligans (weil) auf Ecstasy. Und Shaun Ryder singt bis heute wie ein Fußballfan mal leidend, mal ganz entgrenzte Schnauze.

Es gibt verschiedene Varianten des Phänomens "ungewöhnlicher Drogen-Crossover". Tom Wolfe beschrieb eine davon: Die Hell Angels werden auf LSD angetörnt und vergessen völlig, dass sie böse Rocker sind. Bis es ihnen wieder einfällt. Eine andere wurde in den mittleren 90er-Jahren in Leipzig erzählt: Dort waren rechtsradikale Skinheads mit Ecstasy in Kontakt gekommen, schworen ihrem Irrglauben ab und arbeiteten fortan als einfühlsame Türsteher bei links-schwulen Reggae-Partys. Ähnlich verhielt es sich mit den Happy Mondays. Eigentlich nichtsnutzige, nordenglische Kleinkriminelle, die aber intuitiv und lustbetont die Verbindung zwischen der psychedelischen Bewegung der späten 60er-Jahre ("The First Summer of Love", 1967) und Acid House ("The Second Summer of Love", 1987) erkannten, inszenierten, lebten. Auf ihrem zweiten Album, "Bummed", deutete sich 1989 mit den Tracks "Wrote For Luck" und "Lazyitis" ihre Transformation in eine geniale, debile Tanzband an. Dass sie 1990 so auf den Punkt waren, dass sie mit "Step On" und "Kinky Afro" sogar charteten, hatten sie allerdings kaum ihrer eigenen Geistesgegenwart zu verdanken. Es war der marktorientierte DJ Paul Oakenfold, der sie als Produzent mit "Pills, Thrills And Bellyaches" zur Topten-Reife und auf die Balearen führte.

"Madchester Rave On" war nun die Devise, zu Baggy-Hosen trug man ebenfalls weite, langärmelige T-Shirts mit bunten Prints, ein Anglerhütchen und Sonnenbrille: praktisch und bequem. Daher bleibt abzuwarten, was die heutigen sogenannten Nu Raver in ihren kurzen, engen Satin-Sporthosen und den weißen hochgezogenen Kniestrümpfen mit ihren unförmigen Opas anfangen können. Einen gleich jungen, bedröhnten Künstler zu erleben ist schließlich etwas anderes als einen grölenden, verlebten, aufgeschwemmten Mittvierziger. Dieser demografischen Gruppe aber geben die drei verbliebenen Happy Mondays konsequent und mit einer gewissen zauseligen Würde ein Gesicht. Man kann ihnen jedenfalls keine Berufsjugendlichkeit vorwerfen. Im Titelstück der Platte nähert sich der schon lange mit seiner Dysfunktionalität kokettierende, bucklige Ryder schließlich einem der anderen großen Freaks und Buckligen der englischen Popkultur an: Ian Dury. Ryders "Dysfunktional Uncle" ist Durys "Spasticus Autisticus". Hier findet die Platte endgültig zu sich selbst, und Tragik wird wieder zu Größe. Der vorab angekündigte, "rockigere" Stil dominiert zum Glück nur in den ersten paar Stücken, zumeist groovt ein recht gediegener, von Howie B.s Reggae-Basslines, Renaissance-HipHop-Beats und altersmilden Rolling-Stones-Gitarren geprägter Sound vor sich hin, der Ryders Ergüsse sehr gut trägt.

Was sich da ergießt, lässt wie gehabt die Stirn runzeln. Inhalte im engeren Sinn waren noch nie Shaun Ryders Ding. Es geht um die hohe Kunst des assoziativen Scheißeredens. Um Wortspiele, um "Stinkin Thinkin ", um dummes Zeugs, das einem so einfällt, wenn man druff ist - um Volksdichtung. Wie zum Beispiel in dem Song mit dem ebenfalls spielerischen Titel "Cuntry Disco". Dort wird aufgezählt, was "er" beim Fensterln alles mit "ihrem" Schlafzimmerfenster gemacht hat: "(I was) banging, slapping, checking, tapping, whamming, smacking, shangelanging, kazamming, pigging, pumping, frogging etc. ad. inf. on your bedroom window." In "Deviantz", was mit "Abartige" übersetzt werden kann, beschreibt Ryder eine Frau, die Folgendes anstellt: "She picks it, she kicks it, she chews it, she licks it, she eats it, she crunches it, she munches it, she squeeze it, she use it, abuse it, she spews it " Wofür das "es" steht, bleibt nebulös. Ryder lässt die Worte aus dem Mund quellen wie, ich weiß es nicht, Kartoffelbrei mit Soße, sie laufen ihm praktisch die prallen Hamsterbacken hinunter. Das ist nahezu eklig, aber auch recht unterhaltsam und gut gemacht. Dennoch stellt sich die Sinnfrage.

Großer Wert wird firmenseits auf die Tatsache der nunmehr totalen Cleanheit der Protagonisten gelegt, Ryder habe den Bong endgültig gegen das Bike getauscht - als ob sich Fahrradfahren und Drogengebrauch gegenseitig ausschließen. Ebenso laut betont wird, dass es schier unglaublich sei, dass diese Herren tatsächlich noch leben! Es muss eine harte Karriere sein, sich von Berufs wegen als Drogenfreak zu vermarkten. Bei Youtube landet man, von den Happy Mondays ausgehend, fast automatisch bei Pete Doherty. Nur hatte Shaun Ryder nie so kecke Hütchen und nie eine Kate Moss an seiner Seite und deshalb weniger Tabloid-Potenzial. Und nun sind sie also angeblich nüchtern. Dafür klingt die Platte aber arg nach Tour de France: alle durchgehend voll drauf. Was sollen wir also daraus schließen? Ist es eine Simulation? Ist es eine Verarbeitung? Ist es eine Lüge? Die Antwort könnte so lauten: Verdammt dazu, schlechte Vorbilder sein zu müssen, gehen die Happy Mondays ihren steinigen Weg im Schaugeschäft. Wie rauchende Omas lassen sie uns weise den Kopf schütteln und leise lächeln über so viel Altersunvernunft. Denn wir ahnen: Es ist goldrichtig, dass sie ihr Ding durchziehen. Die rauchenden Omas und die Happy Mondays.

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