Hannover 96 gegen Bayern München: Ganz normale Scherereien
Hannover 96 schlägt sich vor dem Heimspiel am Sonntag gegen Bayern München wieder mit Alltäglichem herum.
HANNOVER taz | Die vielen Kerzen, Blumen und Abschiedsgeschenke, von den Fans vorm Stadion abgelegt, sind entfernt und eingelagert worden. Trotzdem bleibt dieses kleine Blumenbeet, das gleich neben der Geschäftsstelle von Hannover 96 liegt, eine Art Wallfahrtsort für alle Trauernden. Das Heimspiel am Sonntag gegen den FC Bayern München soll - zwei Wochen nach der Trauerfeier für Robert Enke - für Fans, Spieler und Offizielle der nächste Schritt zurück in die Normalität werden. Das Blumenbeet wird dabei für viele, die sonst vor den Erstligaspielen in Hannover zielsicher die Bier- und Bratwurstbuden ansteuern, zu einer Anlaufstelle.
Nach dem Abschied von Enke ringen die Spieler in Hannover weiter um Fassung. "Die Bilder vom Sarg im Mittelkreis haben wir alle noch im Kopf", sagt Christian Schulz vor einer Partie, der selbst gestandene Profis wie er mit großem Respekt begegnen. Sie haben keine Angst vor einem Duell mit dem FC Bayern, das eigentlich wie immer als Spiel des Jahres tituliert werden müsste. Es geht für die 96-Profis zunächst darum, im eigenen Stadion in einen Alltag zurückzufinden, den es ohne Enke so schnell nicht wieder geben kann. "Unsere Spieler müssen die Arena wieder als Fußballstadion wahrnehmen", sagt Sportdirektor Jörg Schmadtke.
Am Mittwoch hatte Trainer Andreas Bergmann sein Team nicht wie üblich auf der benachbarten Mehrkampfanlage, sondern im Stadion üben lassen. Es waren die ersten Gehversuche an einem Ort, an dem am 15. November bei rund 40.000 Trauergästen viele Tränen flossen.
Es geht im Team von Hannover 96, das die Bayern zuletzt im September 2008 mit 1:0 daheim besiegen konnte, um die Frage, wie die Spieler ihre Balance zwischen Trauer und Professionalität finden. Schmadtke fordert von seinen Profis, vor dem Rekordmeister keine Hemmungen zu haben. Aus sportlicher Sicht sind die jüngsten Rangeleien bei 96, die es zwischen Stammspielern und Reservisten im Training schon wieder gab, eine Form von wünschenswertem Alltag. Nüchtern betrachtet kämpft 96-Trainer Bergmann genau wie sein Kollege Louis van Gaal in München um seinen Arbeitsplatz.
Der 50-jährige Bergmann, als völlig unbeschriebenes Blatt im Profigeschäft zum Nachfolger des erfolglosen Dieter Hecking bestimmt, hofft auf Vertragsverlängerung und benötigt trotz aller Trauer neue Erfolge. Bergmann und Schmadtke, die den FC Bayern zuletzt bei dessen 1:1 gegen Bayer Leverkusen ausspioniert haben, sind ganz bewusst als Mutmacher in das seit Tagen verregnete Hannover zurückgekehrt. Und die Spieler wirken entschlossen, dem prominenten Gast ein Bein zu stellen. "Wir kriegen die Bayern an einem günstigen Zeitpunkt", findet Abwehrroutinier Schulz und macht kein Geheimnis daraus, dass er und seine Mitspieler die Rückkehr in das eigene Stadion mehr fürchten als das Duell David gegen Goliath.
Bei den Fans kehrt allmählich auch die Lust auf Schadenfreude und Frotzeleien zurück. Es ist zwar allen im Fanblock wichtig, dass im ersten Heimspiel nach Enkes Tod noch einmal ein würdevoller Abschied gelingt. Aber in den Internet-Fanforen schlägt ein besonders frecher Anhänger den Münchnern vor, sich angesichts einer möglichen Niederlage in Hannover vorsorglich um die Dienste des wieder einmal arbeitslosen Trainers Peter Neururer zu bemühen. Der sei schließlich eine Experte dafür, Mannschaften in Krisensituationen vor dem drohenden Abstieg zu retten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!