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Handball-Bundestrainer Heiner BrandDer Schiffsdiesel tuckert leise Servus

Ovationen des Dankes: Spieler und Fans verabschieden sich von Heiner Brand, wie es sich für einen geziemt, der vierzehneinhalb Jahre Handball-Bundestrainer war.

Zum Abschied Autogramme: Heiner Brand bei seinem letzten Spiel als Bundestrainer in Trier. Bild: dapd

TRIER taz | Ganz am Ende hat Heiner Brand dann doch die Kontrolle verloren. Drei Minuten waren in der Arena von Trier noch zu spielen, als die Schiedsrichter jene Auszeit gaben, die dazu führte. Die deutsche Handballnationalmannschaft hatte diese beantragt, aber Brand, noch drei Minuten ihr Trainer, hatte davon nicht gewusst, kein bisschen. Brand war überrascht, fast ein wenig perplex, das konnte man sehen - und genau so hatten sich das seine Spieler ja auch vorgestellt.

Die deutschen Handballer stellten sich also auf in einem Halbkreis um ihren Noch-Bundestrainer, sie beklatschten und bejubelten ihn, aber es war kein normaler Beifall, kein gewöhnlicher Jubel, es waren Ovationen des Dankes. Brand stand da, sprachlos, gerührt. Er lachte. Schließlich umarmten sich Spieler und Noch-Bundestrainer, ein richtiges Menschenknäuel wurde daraus, und auch die Menschen in der Halle waren längst aus dem Häuschen.

La-Ola jagte durch die Arena, "Danke, Heiner!"-Plakate wurden ausgerollt. Dem ein oder anderen standen Tränen in den Augen. Dann, nach der vielleicht längsten, aber ganz sicher ergreifendsten Auszeit der Handballgeschichte, pfiffen die Schiedsrichter die Partie wieder an. Ziemlich exakt drei Minuten war Heiner Brand da noch Bundestrainer, bevor mit der Schlusssirene endgültig eine Ära im deutschen Sport zu Ende gebracht wurde.

Der Brand-Brummbass brummt

Es ist also wirklich eine rührende Abschiedsfete für den Mann aus Gummersbach geworden, so eben, wie es sich für einen geziemt, der vierzehneinhalb Jahre Handball-Bundestrainer war und den man sich so richtig noch immer nicht wegdenken kann aus diesem Amt. Vielleicht kann das der 58-Jährige ja selbst noch nicht, jedenfalls gab er am Sonntag, als es vollbracht war, offen zu, dass er auch "ein wenig Angst" gehabt habe vor diesem, seinem letzten Spiel. "Meine Karriere geht zu Ende. Das belastet einen schon", brummte Brand mit seinem Brand-Brummbass, den einer mal mal mit einem Schiffsdiesel verglichen hat, was gar nicht so übertrieben ist.

Andererseits, auch das schiffsdieselte der Gummersbacher am Sonntag, fühle er auch eine Befreiung. "Die letzten Jahre waren anstrengend, und ich habe mich in vielen Dingen aufgerieben", sagte Brand. Vor allem der ständige Zwist mit der Liga, der er vorwirft, sich nicht genügend um die deutschen Handballtalente zu kümmern, hat ihn ermüdet, am Ende wohl gar zermürbt.

Immer mehr hat ihm das seinen geliebten Job vergällt, in dem er die deutsche Handballmannschaft zum Welt- und Europameister gemacht und zu Olympiasilber geführt hat. Im Januar, bei der wenig erfolgreichen WM in Schweden, die auch ihn in die Kritik rutschen ließ, reifte dann schließlich der Gedanke, dass er sich das nicht mehr viel länger antun möchte. Am Sonntag in Trier hat er diesen Gedanken zu Ende geführt.

Er geht nicht nur, er bleibt auch

Brand geht also - mit einem 32:22-Sieg über Lettland und der Qualifikation für die EM, die zuvor schon festgestanden hatte. Das ist wichtig, nicht nur für ihn persönlich, sondern für den deutschen Handball, wobei man das so ganz genau vielleicht gar nicht mehr unterscheiden kann. Jedenfalls: Die deutsche Mannschaft ist bei der EM nächsten Januar in Serbien mit von der Partie und kann sich dort also doch noch vielleicht für die Olympischen Spiele im Sommer in London qualifizieren.

Auch Brand wäre dann dabei. Er geht schließlich nicht nur, er bleibt auch, als eine Art Manager für die Nationalmannschaft. Als solcher soll er sich künftig unter anderem um die Verbesserung der Zusammenarbeit von Nationalmannschaft und Liga kümmern, also just um jenen Themenbereich, unter dem er am ärgsten gelitten hat. Brands Nachfolger, aller Voraussicht nach sein bisheriger Co-Trainer Martin Heuberger, wird diese Hilfe gut gebrauchen können. Das Erbe, das er demnächst wohl antritt, ist dennoch schwer genug.

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