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Hamburger SportvereinShowdown im Kongresszentrum

Der HSV ist basisdemokratisch. Das halten einige für das Hauptproblem und wollen den Profifussball auf der Mitgliederversammlung am Sonntag ausgliedern.

Hilfe von oben gibt's am Sonntag vermutlich keine: HSV-Chef Carl Edgar Jarchow. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es kann sein, dass nicht alle in den Saal passen und die Reden in die Nebenräume übertragen werden müssen. Bis zu 11.000 Mitglieder erwartet der HSV zu seiner Mitgliederversammlung am Sonntag im Hamburger Kongresszentrum CCH. Was die HSV-Mitglieder vom Sofa reißt, findet sich unter Punkt sechs der Tagesordnung: „Anträge zur Strukturreform“. Dahinter steckt eine Schicksalsfrage des Traditionsclubs: Soll der HSV die Profiabteilung in eine privatwirtschaftlichen Organisationsform ausgliedern oder soll sie Teil des Gesamtvereins bleiben?

Wer sich gewissenhaft vorbereiten will, muss sich durch 100 Seiten eng beschriebenes Papier arbeiten. Denn insgesamt können sich die Stimmberechtigten zwischen fünf Konzeptpapieren und Satzungsentwürfen entscheiden, die die Kernfrage mit unterschiedlichen Nuancen und Schwerpunktsetzungen beantworten.

Der letzte Versuch einer Ausgliederung der Profis liegt achteinhalb Jahre zurück. Damals scheiterte Ex-Präsident Bernd Hoffmann mit seinem Antrag an der von den Supporters dominierten Mitgliederversammlung. Der HSV gehört damit zu den letzten sechs Bundesligisten, die ihre Profiabteilung noch nicht in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt haben.

Der sportliche und finanzielle Niedergang des Vereins wird von großen Teilen des unternehmerischen Umfeldes den veralteten Strukturen zugeschrieben. „Kein durchschlagskräftiger Partner und keine Persönlichkeiten engagieren sich mehr innerhalb der vorhandenen Vereinsstruktur“, sagt Ex-Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff, der mit seiner Kampagne „HSVplus“ den Startschuss für die aktuelle Debatte gab.

Rieckhoffs Plan sieht die Gründung einer AG vor, deren Anteile bis zu 24,9 Prozent ohne Zustimmung der Mitglieder an externe Investoren veräußert werden dürfen. Mit Mitgliedervotum können weitere Anteile verkauft werden, wobei die „50+1“-Regel, die eine Anteilsmehrheit des Stammvereins garantiert, festgeschrieben werden soll. Ein modifiziertes Ausgliederungskonzept legt HSV-Mitglied Rainer Ferslev unter dem Titel „Das Rautenherz-Konzept – zurück an die Spitze“ vor. Es sieht für die Profiabteilung die Gründung einer GmbH & Co KG auf Aktienbasis vor, bei der der HSV e.V. alleiniger Gesellschafter bleibt. Diese Konstruktionsform haben sich die meisten Bundesliga-Vereine gegeben.

Auf eine Effektivierung der Profiabteilung ohne Ausgliederung setzt der Antrag „HSV-Reform“ aus den Reihen der Supporters, für den sich unter anderem Aufsichtsratschef Manfred Ertel und Fanvorsänger Jojo Liebnau stark machen, sowie der Antrag „Zukunft mit Tradition“ von Aufsichtsrat und Expräsident Jürgen Hunke. Gemeinsam haben alle Vorschläge die Verkleinerung des zwölfköpfigen Aufsichtsrats.

Dem Vernehmen nach favorisiert der Vorstandsvorsitzende Carl Edgar Jarchow den Rieckhoff-Plan, der als einziger eine kurzfristige Kapitalaufstockung ermöglichen würde. In der letzten Saison fuhr der Klub mit 9,8 Millionen Euro zum dritten Mal in Folge ein Minus ein und sitzt auf Verbindlichkeiten von knapp 100 Millionen Euro. „Die finanzielle Situation ist insofern angespannt, weil Misserfolg ohne Zuführung frischen Kapitals nicht unbegrenzt zu überbrücken ist“, räumte Jarchow ein.

Brisanz erhält die Situation dadurch, dass als erster Kapitalgeber Milliardär Klaus-Michael Kühne schon in den Startlöchern steht. Der fordert für sein Geld aber weiter unverblümt die „Neubesetzung wichtiger Schlüsselfunktionen in der Vereinsführung“. Im Hintergrund lauert der von ihm protegierte Felix Magath auf den HSV-Vorsitz. Trotz 100 Seiten Papier wird sich die Entscheidung letztlich um die Frage drehen: „Ja zu Kühnes Kohle“ oder „Nein zu Kühnes Einfluss“.

Das Konzept, das die einfache Mehrheit der Mitglieder erhält, muss vom Vorstand bis zur nächsten Mitgliederversammlung ausgearbeitet werden, benötigt dort dann allerdings eine Dreiviertelmehrheit zur endgültigen Verabschiedung. Letzte Woche haben alle Antragsteller die Mitglieder zu einem fairen Umgang aufgerufen.

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