piwik no script img

Hamburger Derby St. Pauli vs. HSVDas große Kuscheln

Vor rund vier Wochen wurden St.-Pauli-Fans von HSV-Fans überfallen. Seitdem bemüht man sich um gute Stimmung. Vor dem Derby sorgt sich Hamburg dennoch um die Sicherheit.

St. Paulis Trainer Holger Stanislawski (l.), und HSV-Trainer Armin Veh. Bild: dapd

Das hätte sich Lotto King Karl nicht träumen lassen. Seine Hymne auf den Hamburger SV, "Hamburg, meine Perle", die er sonst bei HSV-Heimspielen live von der Empore auf die Fans in der Nordgeraden niedergehen lässt, wird am Sonntag am Millerntor erschallen. Zwar nur vom Band, aber mit einer Zeile wie "Wenn du aus Cottbus kommst, kommst du eigentlich aus Polen" wird die dort ansässige, politisch sensible Klientel des FC St. Pauli gewöhnlich nicht konfrontiert.

Die bisherigen sieben Bundesliga-Heimspiele der Kiezkicker gegen die reichen Vettern wurden aus Kapazitäts- und Sicherheitsgründen alle im größeren und abgelegenen Volksparkstadion ausgetragen. Das letzte Derby am Millerntor liegt mittlerweile 48 Jahre zurück. Seitdem ist die Rivalität zwischen den beiden Fangruppen nicht kleiner geworden. Aber das gewachsene Selbstbewusstsein der Paulianer, die zudem über ein halb neues Stadion verfügen, ließ lange Zeit keinen Gedanken an einen erneuten Umzug aufkommen.

Das änderte sich kurzzeitig, als vor knapp vier Wochen am Bahnhof Altona besonders erlebnisorientierte HSV-Anhänger eine Gruppe von St.-Pauli-Fans brutal überfielen, die um Mitternacht vom Auswärtssieg beim SC Freiburg zurückkehrten. Doch nach ein paar Tagen Bedenkzeit beschied Hamburgs Innensenator: "Das Derby bleibt am Millerntor." Die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die sich sonst bei der Ansetzung von Risikospielen nicht immer flexibel zeigte, nahm den Vorfall zum Anlass, das Spiel auf den weniger brenzligen Sonntag zu legen.

Seitdem jagt in Hamburg eine Kuschelveranstaltung die nächste. Die Boulevardpresse inszeniert Freundschaftstreffen zwischen den Lagern, Altstars wie Uwe Seeler und Walter Frosch sowie Neufunktionäre wie St.-Pauli-Präsident Stefan Orth und HSV-Sportdirektor Bastian Reinhardt versichern sich vor laufenden Kameras gegenseitig ihre Wertschätzung, und die Autoren der Vereinsbücher laden zur gemeinsamen Talkshow. Selbst Lotto King Karl kommt nicht umhin zu bekunden: "Ich habe St. Pauli den Aufstieg gewünscht."

Dennoch wollen sich nicht alle HSV-Fans, die keins der 2.100 Gästetickets ergattert haben, durch das Angebot eines kostenlosen Public Viewing im Volkspark vom Kiez fernhalten lassen. Zwei Fangruppen des HSV laden ihre Mitstreiter zu einem "kleinen Herbstspaziergang", um dem "größenwahnsinnigen kleinen Nachbarn" die Plätze in den Kneipen streitig zu machen. Einen Bericht des Hamburger Abendblatts, nach dem die Polizei vergangenen Samstag 50 randalierende HSV-Fans gestoppt habe, die zur St.-Pauli-Fankneipe Jolly Roger wollten, konnte Polizeisprecher Mirko Streiber nicht bestätigen: "Die Kollegen haben 20 Personen auf der Reeperbahn angehalten, die Sprechchöre skandiert haben."

Hinter den Kulissen bereiten sich Fanvertreter und Sicherheitsexperten seit Wochen intensiv vor. "Das läuft auf allen Ebenen freundschaftlich ab. Nach meiner Einschätzung war die Brisanz vor einem Spiel gegen Hansa Rostock höher angesiedelt, als sie es jetzt gegen den HSV ist", sagt St. Pauli-Sicherheitschef Sven Brux. Es werde keine Bannmeile um das Stadion geben, Bierausschank vor und im Stadion sei allerdings verboten. 20 HSV-Ordner und eine Pufferzone zwischen den Fans sollen im Stadion für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Die verspricht sich die Polizei außerhalb des Stadions von dem erstmaligen Einsatz einer neuen Reiterstaffel, die die mit mehreren Hundertschaften anrückende Bereitschaftspolizei unterstützen soll. Besonders groß wird die Gefahr eingeschätzt, dass rivalisierende Fangruppen zu späterer Stunde auf dem Kiez oder im Schanzenviertel aufeinandertreffen. Dort gilt auch beim Derby kein Alkoholverbot.

Und nun zum Sport.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!