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Archiv-Artikel

Hamburger Alltag Kläger berichten

Von san

Peter J. lebte über 20 Jahre auf der Straße. Jetzt wohnt der Drogensubstituierte in einer Notunterkunft, in der sich 20 Menschen ein Klo teilen und Gewalt zum Alltag gehört. Mehrfach hat Peter J. beim Sozialamt Umzugshilfe oder Dringlichkeitsscheine beantragt, um sich aus diesem Milieu zu befreien. Seine Anträge wurden nicht bearbeitet, eine Anhörung abgelehnt. Verdient sich Peter J. aber vor dem Supermarkt durch Gefälligkeiten ein paar Euro dazu, droht das Sozialamt mit Sperre.

Barbara B. ist schizophren und deshalb schwerstbehindert. Sie leidet unter dem Lärm in der Nachbarschaft, findet keine Ruhe, was die Krankheit verschlimmert. Ihr Arzt sagt, sie muss umziehen, wenn sie leben will. Auch der Amtsarzt hat einen unverzüglichen Wohnungswechsel befürwortet. Ihr Sachbearbeiter bleibt untätig, lässt sich verleugnen. Als Barbara B. ihn doch erwischt, sagt er: „Du, ich habe darauf gewartet, dass du im Lotto gewinnst.“ Ein Jahr später lebt sie immer noch in derselben Wohnung.

Arne S. wohnt in den Grindelhochhäusern. Er ist substituiert und beantragte unter anderem Herd, Bett und Stuhl. „Gibt es nicht“, sagt das Sozialamt. Einen Bescheid, gegen den Arne S. Widerspruch einlegen könnte, schickt es nicht, dafür auf Anraten des Sozialarbeiters eine Putzhilfe – dreimal sechs Stunden die Woche. Weil die 28 Quadratmeter kleine und fast unmöblierte Wohnung schneller erledigt ist, trinkt die Frau stundenlang mit S. Kaffee. Auf Kosten des Steuerzahlers. Den Sozialarbeiter soll sie gut kennen.

XY lebt von Sozialhilfe und kann eine Nachzahlung von 45 Euro an die HEW nicht zahlen. Er begründet den erhöhten Stromverbrauch mit Krankheit: Er müsse nachts oft das Licht brennen lassen, fernsehen oder Radio hören, um die Schmerzen auszuhalten, außerdem müsse zur Entlüftung ein Ventilator oft stundenlang laufen. Das Sozialamt will die Nachzahlung nicht übernehmen und empfiehlt Ratenzahlung. Die HEW bieten an: sechsmal monatlich 18 Euro. Macht 108 Euro. Not lohnt.

Jörg W. ist inzwischen an Krebs gestorben. Kurz vor seinem Tod beantragte er beim Sozialamt einen neuen Kühlschrank – für die Lagerung seiner Medikamente. Der Sachbearbeiter sagte: „Stellen Sie sich mal nicht so an, Sie Weichei. Dann legen Sie die Medikamente eben auf den Balkon.“ Jörg W. kollabierte. Der Sachbearbeiter gestattete der Ehefrau nicht einmal, einen Krankenwagen zu rufen.

Yasemin F. ist Bürgerkriegsflüchtling aus Ex-Jugoslawien und traumatisiert. Sie beantragt beim Sozialamt eine Waschmaschine, weil sie sich nicht in den Waschsalon traut. Sie lässt keinen unangemeldeten Besuch in ihre Wohnung, hat die Klingel abgestellt, hat krankhafte Angst vor anderen Menschen. Also öffnet sie auch dem Sozialamtsmitarbeiter nicht, der eines Tages unangemeldet vor der Tür steht. Die Waschmaschine wird ohne Anhörung abgelehnt – wegen fehlender Mitwirkung. san