■ Halbe Landesregierung Sachsen-Anhalts in westlicher Hand: Gastarbeiter mit Ministersalär
Gastarbeiter mit Ministersalär
Mageburg (taz) — Die Hälfte der Landesregierung von Sachsen-Anhalt ist fest in westlicher Hand. Nicht nur Ministerpräsident Werner Münch, sondern auch fünf seiner elf Ressortleiter sind als Westimporte in Magdeburg tätig. Und alle tönten sie beim Amtsantritt unisono, daß sie sich ganz in den Dienst von Sachsen- Anhalt stellen und selbstverständlich auch ihren Wohnsitz dorthin verlegen wollen. Nur wahrgemacht hat das bisher noch keiner. Die halbe Magdeburger Landesregierung — ausgezeichnet bezahlte Gastarbeiter.
Ministerpräsident Münch weist solche Unterstellungen allerdings erbost zurück und bezeichnet das Ganze als „schlimme Kampagne“. Er habe seit Monaten seinen ersten Wohnsitz in Sachsen-Anhalt, sagt er. „Ich zahle meine Steuern hier, meine Frau hat für Sachsen-Anhalt ihren Beruf aufgegeben, meine Familie hat sich mit dem ersten Wohnsitz in Sachsen-Anhalt angemeldet.“ Ein klarer Verstoß gegen das Meldegesetz, denn: Selbstverständlich pendele er zwischen Mageburg und dem Familienhäuschen im niedersächsischen Lohne, gibt Münch wenige Minuten später zu. „Ich habe nicht nur eine Verantwortung gegenüber dem Land, sondern auch eine Verantwortung gegenüber meiner Familie“, gibt der Regierungschef zu bedenken. „Ich habe schulpflichtige Kinder, und ich lasse keine Diskussion zu, als ob es völlig selbstverständlich wäre, daß man von jetzt auf nachher Familienmitglieder aus ihrer gewohnten Umgebung im Schulbereich, im Wohnbereich einfach herausziehen kann.“ Für die Kosmetik reicht statt des tatsächlichen Wohnsitzes also der Meldeschein.
Die Ehefrau und die Kinder, sie sind an allem schuld. Auch bei den anderen Westimporten in Münchs Kabinett. Ob Sozialminister Werner Schreiber, Justizminister Walter Remmers, Europaminister Hans- Jürgen Kaesler, sie alle reisen nur mal eben zum Regieren nach Magdeburg an. Die Landesregierung, so grinsen die Sozialdemokraten in der Opposition, verwaltet das Land quasi auf der Durchreise. Aber das spare schließlicn auch staatliche Umzugsbeihilfen aus den Steuergroschen ein.
Am wenigsten ausgeprägt ist das neue ostdeutsche Heimatgefühl offenbar bei Innenminister Hartmut Perschau. Bei dem, so lästerte eine Magedburger Zeitung, wolle nur der Schäferhund nach Magdeburg ziehen. Das sei überhaupt nicht wahr, ließ der Hamburger seinen Sprecher verkünden. Perschau habe nämlich keinen Schäferhund, sondern einen Collie. Eberhard Löblich
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