Hajo Schiff Hamburger Kunsträume: Appell an die Kunstfreiheit
Eine flammende Rede zur Freiheit der Kunst von politischen Vorgaben, aber auch von der Erzwingung politischer Neutralität, hielt der Kultursenator am Mittwoch im Kunstverein. Dass diese Freiheit auch durch Geld gewährleistet werden muss, wurde durchaus als selbstverständlich verstanden.
Die Probleme liegen bei Finanzen immer eher im Detail. Es ging nicht nur um Fördertöpfe und die etwas vage „Öffnung der Räume“ für jedermann, es wurde auch an private Initiativen appelliert.
Und da gibt es hier schon einiges, besonders aber ist die 1986 gegründete „Neue Kunst in Hamburg“. Deren über 200 Mitglieder ermöglichen seit 1997 alle zwei Jahre einigen Künstlerinnen und Künstlern eine Wunschreise zu Zielen ihrer Wahl. Ein externer Kurator juriert die Bewerber: Diesmal hat Moritz Wesseler, der junge Leiter des Fridericianums in Kassel, paritätisch drei Frauen und drei Männer ausgewählt.
Was beispielsweise der politisch engagierte, locker malende und fotografierende Paul Sochacki in Hamburg, dem gleichnamigen Ort in Südafrika, erlebte oder was Anna Grath in Wien täglich besorgte und erst zu konkreter Poesie und dann zu großen Collageobjekten aus Mindermaterialien verarbeitete, wird dann als Gastspiel bei sieben der renommierten Galerien in der sogenannten Fleetinsel gezeigt – wenn auch nur in kurzer Laufzeit bis Ende März.
Nicola Gördes & Stella Rossié haben mit Querfurt (Sachsen-Anhalt), Chisinau (Moldawien) und Detroit (Michigan) gleich drei Orte besucht und von ihrer vergleichenden Feldforschung vor allem schlechten Kommerz-Pop-Geschmack mitgebracht. Michael Kleine war ganz traditionell auf einer Grand Tour in Italien und hat seine Handtücher vernäht. Paul Spengemann hielt sein Reiseziel zwar geheim – es war wohl Niagara Falls –, hat aber ohnehin seine Videos zu einer eindrucksvollen Laserprojektion abstrahiert.
Einer, der die Freiheit der Kunst durchaus ästhetisch zu politischer Meinungsbildung nutzte, war der 1997 verstorbene Hamburger Kunstprofessor KP Brehmer. Bei ihm werden die Farben der deutschen Flagge den Vermögensklassen zugeordnet und dann nach dem Prozentanteil an der Bevölkerung neu justiert oder es wird im scheinbar harmlosen Medium vergrößerter Briefmarken der Ausverkauf der DDR sichtbar. Eine umfassende Ausstellung dieses kritischen „kapitalistischen Realismus“ zeigt die Hamburger Kunsthalle ab Donnerstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen