Hajo Schiff Hamburger Kunsträume: Alles steht offen
Der überraschende Sommereinbruch lockt tagsüber nicht gerade ins Museum. Was ein netter Zufall, dass Samstag die 18. „Lange Nacht der Museen“ ist. Mit 870 Aktionen zum Motto „Forsch Dich durch die Nacht“ sind 59 Museen von 18 bis 2 Uhr geöffnet und mit elf Shuttle-Bus-Linien gut erreichbar.
Auch alle Galerien im Kontorhausviertel sind bis Mitternacht geöffnet, einige wie Mikiko Sato haben zudem Vernissage: Zu sehen sind dort Stoffarbeiten von Aiko Tezuka. In der handwerklichen De- und Rekonstruktion von Stoffen werden kunstphilosophische Fragen zwischen Ost und West, zwischen Tradition und Industrieproduktion sichtbar.
Japan ist auch Thema am Sonntag in der Frise in der Arnoldstraße: Der Kunsthistoriker Jan-Frederik Rust berichtet davon, wie Nakahira Takuma 1968 mit der Tokioer Fotozeitschrift Provoke eine ganz neue Fotografie durchsetzen wollte. Grobkörnige, verwackelte und unscharfe Schwarz-Weiß-Fotografien sollten provozieren und von gängigen Codes befreien. Solche Autonomie scheint im gegenwärtigen Bilderallerlei wieder von besonderem Interesse.
Die Sonntagsveranstaltung mit dem schönsten Titel gibt es in der „Galerie W“ am Mühlendamm: „Schlupflöcher für vergessliche Engel“. Sieht man die linearen Strukturen in den weitgehend abstrakten Gemälden von Maria Hobbing als Architekturen, öffnen sich erstaunliche Tiefenräume, in denen so manche Vorstellungen auftauchen und wieder verschwinden können, zumal in dieser Galerie auch oft gezaubert wird. Zur Eröffnung um 15 Uhr spielt eine singende Säge Sphärenklänge zwischen Himmel und Hölle.
Museen erforschen, Galerien gucken, ferne Anregungen bekommen oder Engelsuchen ist aber noch nicht genug. Auch Hamburgs größtes Künstlerhaus, die Dosenfabrik in der Stresemannstraße, lädt ein, die Produktionsorte zu erleben und frische Kunst zu finden. Sonntag von 13 bis 19 Uhr sind die Ateliers von 39 Künstler*innen geöffnet und werden mit Lesungen von Autor*innen des ebenfalls im Haus ansässigen Writers’Room bespielt.
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