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■ Haases perfide VorschlägeStraßennamenkampf

Seit der Wende werden in Berlin Straßenkämpfe allenfalls noch um deren Namen ausgetragen. Der Streit um die Emailleschilder ist die zeitgemäße Form einer Systemauseinandersetzung, die von ihren Protagonisten um so verkniffener geführt wird, je mehr sie ihren eigentlichen Sinn verliert. Dem Sieg der Marktwirtschaft folgt die ideologische Flurbereinigung. In Haases Schildstreich hat die stellvertretende SPD-Vorsitzende Monika Buttgereit schon eine „geistig-moralische Wende“ ausmacht. Bereits die SED-Altkader Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl fielen Haase zum Opfer. Ein Umstand, der weniger in der Sache als vielmehr im Vorgehen Kritik erregt, lebt in ihm doch die vorgeblich bekämpfte SED-Tradition munter fort. Nun geht der Senator zum geistigen Generalangriff über. Seine jüngsten Vorschläge treffen Personen, die gleichermaßen kommunistisches wie sozialdemokratisches Urgestein verkörpern. Seine Alternativvorschläge sind, auf den ersten Blick, von sozialdemokratischem Geist beseelt. Weder gegen Rudolf Hilferding noch gegen Bernhard Weiß, weder gegen Otto Braun noch gegen Matthias Herzberger ließe sich aus Sicht der SPD etwas einwenden.

Die Perfidie der Vorschläge liegt in der Debatte, die dadurch erzwungen werden soll. Marx kontra Braun, Luxemburg versus Hilferding. Wer sich eine solche Alternative aufzwingen läßt, hat die Auseinandersetzung bereits verloren. Die entscheidende Frage lautet vielmehr, wer zu der bewahrenswerten politischen Tradition der Stadt gehört. Um ihre Antwort darauf zu geben, reicht es nicht mehr, wenn die SPD formal auf die Zuständigkeit der Bezirke verweist. Buttgereit versprach die Formierung einer breiten Opposition gegen die „geistig-moralische Wende“. Die wollen wir nun erleben. Dieter Rulff

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