HSV gegen Werder in Liga, DFB- & UEFA-Cup: Vier Lokalderbys in 19 Tagen
Im Kampf um den DFB-Pokal beginnt am Mittwoch die Serie von Nord-Derbys mit dem Halbfinalspiel des HSV gegen Werder. Besonders für die Bremer geht es um viel.
Es geht um viel mehr als Punkte und Tore. Zumindest für HSV-Fans und Werder-Anhänger, die sich bekanntlich seit Jahrzehnten nicht grün sind. Die Rivalität wird mit einer einmaligen Konstellation belebt, wenn sich Hamburger und Bremer viermal binnen 19 Tagen duellieren; das erste Mal am Mittwoch im DFB-Pokalhalbfinale an der Elbe (20.30 Uhr/live ZDF). "Diese Partien werfen einige Probleme auf, da müssen wir uns nichts vormachen", sagt Werders Fanbeauftragter Dieter Zeiffer, "Hamburger und Bremer werden nicht Hand in Hand ein Bier trinken gehen." Der Herr der grün-weißen Sympathisanten spricht von einer "stressigen Angelegenheit".
Das Verhältnis ist belastet, und als Ursprung gilt der Tod des damals 16-jährigen Bremer Glaserlehrlings Adrian Maleika, der am 16. Oktober 1982 im Volksparkgelände von rechtsradikal orientierten Hamburger Fanhorden mit einem Stein am Kopf getroffen wurde und einen Tag später verstarb. Monate später organisierten die damaligen Manager Willi Lemke und Günter Netzer ein Treffen der Fan-Delegierten und vereinbarten ein Stillhalteabkommen, das zumindest dafür sorgte, dass es immer wieder auch zu variantenreichen Scharmützeln der beiden Lager kommt.
Legendär gelten die Choreografien von vor fast acht Jahren, als die Werder-Ultras in Anlehnung ans Bremer Stadtwappen eine Banderole mit der Aufschrift enthüllten: "Ihr seid das Tor zu Welt - aber wir haben den Schlüssel." Woraufhin die Hamburger beim 1:0 gewonnenen Rückspiel texteten: "Für ein Tor brauchen wir keinen Schlüssel."
Nun ist wieder Einfallsreichtum gefragt. "Es kann in jedem Spiel alles passieren. Es geht um etwas Großes", sagt Werders Sportchef Klaus Allofs, der vier Begegnungen erwartet, "die voller Emotion, aber hoffentlich friedlich" ablaufen. Von Ersterem ist auszugehen. Allein in den Cup-Wettbewerben hat das befähigte Bremer Ensemble allerhöchsten Einsatz und allergrößtes Engagement gezeigt. Im Pokal demonstrierten das die (Auswärts-)Siege in Dortmund und Wolfsburg, im Uefa-Cup das Weiterkommen gegen Milan, St. Etienne und Udinese. Fast logisch, dass sich der noch sonntags in Berlin geschonte Diego wieder rechtzeitig mit einem gesundeten Muskel zurückmeldet; dass auch Mesut Özil und Sebastian Boenisch spielen wollen.
Werder mobilisiert alle Kräfte - einzig die Cup-Wettbewerbe bilden den Türöffner für die neue Europa League, die im Grunde für die Bremer Pflicht ist, soll es überhaupt eine klitzekleine Chance geben, die zwei besten Fußballer zu binden. Weder Diego noch Claudio Pizarro würden sich an der Weser eine Saison ohne die kontinentale Plattform antun. Und auch die weitere Ausrichtung der Werder Bremen GmbH & Co KGaA steht auf dem Spiel: Ein Umsatz wie von zuletzt 112,4 Millionen Euro ist ohne die Uefa-Gelder blanke Utopie, "markanteste Träger sind die internationalen Einnahmen", hatte der über die Pizarro-Affäre gestolperte Klubboss Jürgen L. Born stets betont.
Doch derlei fatale Abhängigkeit möchte man bei Werder ansonsten nicht vertiefen. Ob Sprüche wie die von Tim Wiese ("Ich glaube, dass in Hamburg die Angst umgeht. Wenn die im DFB-Pokal gegen uns auf den Sack kriegen, zittern die auch in den anderen Spielen!") da helfen? Die HSV-Profis würden, so der Nationaltorwart, ja immer die wichtigen Spiele gegen Werder verlieren, "das haben sie im Hinterkopf". Hat der 27-Jährige da richtig nachgedacht?
Die Stimmungsmache ist überflüssig wie ein Kropf, denn bei Werder weiß man nur zu genau, dass der wirtschaftlich potentere Erzrivale auch sportlich auf der Überholspur ist. Das Derby-Quartett könnte als Kreuzungspunkt der Wege in die Derby-Geschichte eingehen, sollte das in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgreiche Werder tatsächlich in den drei K.-o.-Duellen gegen HSV straucheln. Wohl auch deshalb hatte Verteidiger Clemens Fritz den forschen Vorschlag gemacht, die Hamburger könnten doch am 10. Mai in der Bundesliga die Punkte mitnehmen und deutscher Meister werden, wenn Werder dafür im Pokalwettbewerb und Uefa-Cup weiterkomme. "Zur Not", sagt Allofs, "kann ich damit leben." Da hat der gebürtige Rheinländer aber mal geflunkert: Für Werder wäre es fast lebenswichtig.
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