HOCH DIE TASSEN – AUCH AN KIRCHLICHEN FEIERTAGEN : Zwangsbeunglückung
JAN FEDDERSEN
Es ist ja ein Segen, dass unsere Amtskirchen – die katholische wie die evangelische – nur noch behaupten können, für die Sinnstiftung über das Alltägliche hinaus zuständig zu sein. Echte Macht ist ihnen nicht mehr in erstickender Fülle eigen. Was Werte sind, auf die sich eine demokratische Gesellschaft einigt, steht im Zweifel mehr im Grundgesetz als in religiösen Schriften wie der Bibel.
Wir fahren gut mit der Distanz zum Religiösen. Alles, was gut und schön ist, was Wert hat – Solidarität, Geschlechtergerechtigkeit, sexuelle Selbstbestimmung, Gerechtigkeit etwa – musste gegen die Kirchen errungen werden, nicht durch sie.
Es ist beruhigend, dies wissen zu können, daran klug zu sein: dass der christliche Hochmut (für alles und jeden zuständig) in diesem Sinne immer eine gewisse Relation erfährt.
Nur im Kalendarischen sitzen sie immer auf hohen Rössern. Sagte also neulich, zum Karfreitag, der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, zur Kritik, dass an diesem Tag, mancherorts bis Ostermontag, nicht in Diskotheken getanzt werden, dass keine Sportveranstaltungen stattfinden dürfen, empört dies: dass wenigstens „an diesem einen Tag an die Leidenden der Welt zu denken“ keine Zumutung sei.
Nun: Das ist es sehr wohl. Eine Zumutung. Eine Zwangsbeunglückung. Und zwar, weil es nicht persönlich, freiwillig, selbstbestimmt geschieht, sondern aus dem Zwang der feiertäglichen Ordnung heraus.
Davon abgesehen: Was sollen überhaupt Juden, Muslime und sonst wie Andersgläubige davon halten? Müssen die auch an das Leid in der Welt erinnert werden? Und wenn nein: Weshalb schreibt man es ihnen dann vor?
Was Bedford-Strohm – durchaus im Einklang mit seiner evangelischen Kirche, gewiss auch für die katholischen Geschwister, die an diesem Donnerstag Fronleichnam feiertäglich begehen – sagt, ist eine christianisiert anmutende Pädagogisierung des Verhältnisses zur Welt als solcher: Freue dich nicht, sondern barme um das, was dir erspart bleibt.
Man darf das ideellen Elendskitsch nennen. Und christlich natürlich auch. Weil der Spruch eine Haltung markiert, die alle in moralische Haft nimmt, die nicht folgen möchten. Wer jetzt erwidert, es gebe für alles Regeln, etwa für Mülltrennung, und ohne diese verklappen alle ihren Unrat in eine Tonne, was doch unökologisch sei …
Mag sein: Ökologisch inspirierte Mülltrennung ist so notwendig wie eine Straßenverkehrsordnung. Gleichwohl: Das Leiden der Welt für Tage der Freudlosigkeit zu nutzen, ist, biblisch gesehen, kein Fest des Lebens, sondern eines schlimmster Produktion schlechten Gewissens. Dir geht es gut? Ja, aber andere leiden – so heißt es doch immer.
Das ist gegen Jesus Christus und seine Tafelrunden: Feiert das Leben, wann und wo immer es geht. Kein Leidender in der „Dritten Welt“ hat etwas von gallebitterer Innerlichkeit zum Karfreitag. Jesus hätte wahrscheinlich gefunden: Hoch die Tassen und ein Lob auf alle, die ein besseres Leben für alle wollen. Immer. Jeden Tag. Ausnahmslos. Tanzt den Feiertag mit Fröhlichkeit!