HIER SPRICHT BRASILIEN : Möge es bitte weitergehen
LOB Die Kritik an der WM ist vollkommen überzogen: Die Copa ist gut für Brasilien. Die PT-Regierung im Übrigen auch
VON RAFAEL BORGES
Diese Weltmeisterschaft ist extrem wichtig für das Ansehen Brasiliens in der Welt – aber auch für die Selbstachtung des brasilianischen Volkes. Regierung und Bevölkerung zeigen seit Wochen gemeinsam, dass sie Verbesserungen zustande gebracht haben, die weit über die Errichtung von Fußballstadien hinausgehen. Erstens tut es gut zu sehen, wie freundlich die meisten Brasilianerinnen und Brasilianer ihre Gäste aus aller Welt aufnehmen – und damit auch nach außen ein Willkommenszeichen setzen, das Bestand haben wird. Zweitens steht doch völlig außer Frage, dass die von vielen kritisierten Investitionen vor der WM den Tourismus und die Infrastruktur des Landes auch nachhaltig befördern werden.
Anders als es die radikale Linke beschreibt – und ich zähle mich zur Linken in Brasilien –, hat die WM nicht die Ausgaben in soziale Bereiche geschmälert, die dieses Land so dringend braucht, im Gegenteil. Nie zuvor in der brasilianischen Geschichte wurde so stark in Gesundheitssystem und Bildung investiert wie unter den PT-Regierungen von Lula und Dilma. Die Einschreibungen an den Universitäten sind verdoppelt, 14 neue öffentliche Universitäten errichtet und, vor allem, der Analphabetismus bei unter 15-Jährigen bekämpft.
Das alles war trotz der WM möglich. Dabei hat die PT-Regierung im Gegensatz zu ihren Vorgängerregierungen es auch geschafft, Brasiliens Ansehen in der Welt signifikant zu erhöhen, und sich auch international als verlässlicher Partner präsentiert. Das ist nur gelungen, weil bei der umfassenden Investitionspolitik auch die sozioökonomischen Indikatoren gestimmt haben.
Große Infrastrukturprojekte bringen Probleme mit sich: die Räumungen in den Armenvierteln, die Schießereien, bei denen häufig unschuldige Menschen die Opfer eines faschistischen Polizeiregimes werden, das bis heute eine Zweiklassengesellschaft in Brasilien aufrechterhält. So wie ich im Moment die Mutter des Tänzers DG vertrete, der kurz vor der WM in einem Armenviertel von einem Polizisten erschossen wurde, habe ich bereits zahlreiche Mandanten vertreten, die ihre Familienangehörigen verloren haben – weil sie von Polizisten hinterrücks ermordet wurden. Es gibt viel zu tun für uns.
Aber es ist auch gefährlich, nun so zu tun, als habe die Regierung und die Weltmeisterschaft nur Baustellen und Konflikte hinterlassen, denn das Gegenteil ist der Fall. Das ist auch der Grund, weshalb ich diese Regierungspartei weiter wählen werde, obwohl ich einer sozialen Schicht angehöre, die klassischerweise über die Linke schimpft.
■ Rafael Borges, 31, arbeitet in einem der renommiertesten Anwaltsbüros