■ H.G. Hollein: Problemhaut
Die Frau, mit der ich lebe, sorgt sich um meine Gesundheit. Bisweilen jedenfalls. Das führt dann jedesmal dazu, daß ich als Versuchskaninchen für vermeintlich totsichere Tips aus unserem nicht gerade kleinen Bekanntenkreis dienen muß. Zugegeben, ich könnte mir vorstellen, auch ohne Schuppenflechte zu leben, aber das ein oder andere dieser hobbydermatologischen Therapiekonzepte erfüllt mich nicht eben mit Hoffnung. Freundin E. zum Beispiel schwört auf „Rotlicht“. Das habe ihrem Kater bei einem Hauttausschlag im Ohr schließlich „ganz wunderbar“ geholfen. Auch „Ringelblumensalbe“ – so ein anderer Vorschlag – sei in der Wirkung schlechthin unübertroffen. In gewisser Weise durchaus. In der Anwendungsphase hielten die Kolleginnen des Büros, in dem ich täglich sitze, endlich geziemenden Abstand. Wie ich im Vorbeigehen aus der Teekücke flüstern hörte, umgebe mich eine Geruchsaura von „selten ekliger Ranzigkeit“. Etwas irritiert hat mich der Vorschlag von S., die mir auf einer Party hinter vorgehaltener Hand verriet, sie habe „sagenhafte Erfahrungen“ mit Urin gemacht. Ich wollte das Thema nicht unbedingt näher vertiefen. Zumal die unweit in ein anderes Gespräch verwickelte Gefährtin schon merklich längere Ohren bekam. Ansprechender erscheint mir da schon der Rat, meinen Lebensmittelpunkt doch in ein feuchtwarm-salziges Meeresklima zu verlagern. Zypern böte sich da an. Nur hat es die Gefährtin bisher leider abgelehnt, mich a) überhaupt von ihrer Seite zu lassen und mir b) mit ihrem kärglichen Lohn ein angemessenes Frührentnerdasein unter – wenn auch heilender – mediterraner Sonne zu finanzieren. Da schleppt sie mir doch lieber weiter selbstgebraute Tinkturen und Salben an. So viel Fürsorge kann einen nicht ungerührt lassen, und deshalb sage ich ihr auch lieber nicht, daß ihre vermeintlichen Heilungserfolge auf einer heimlich applizierten hochdosierten Kortisoncreme schulmedizinischer Provenienz beruhen.
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