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■ H.G. HolleinRegression

Das Büro, in dem ich täglich sitze, beschäftigt auch jüngere Menschen. Genau gesagt, sie beschäftigen mich. Jüngst reagierte Kollegin W. auf eine zugegebenermaßen etwas weiter ausholende Erklärung meinerseits mit den Worten: „Alter Schwede!“ So hatte das letzte Mal mein Vater zu mir gesprochen, als ich – es war noch tief in Zeiten des Kalten Krieges – aus den Reihen der „Starken Truppe“ in den Veteranenstand überführt wurde. Ich habe mich daran gewöhnt, daß die zeitgemäße Antwort auf die tägliche Zuteilung von Arbeitspflichten offenbar „Na toll!“ lautet, aber was mir unsere Bürojugend vermittels des Rücksprungs in den Wortschatz des preußischen Barock sagen will, hat sich mir bisher noch nicht recht erschlossen. Am ehesten ist „Alter Schwede!“ wohl als Synonym für ein skeptisches „Sag bloß ...“ zu deuten. Tatsächlich waren die „alten Schweden“ Veteranen aus Gustav Adolfs Heer, die vom Großen Kurfüsten ob ihrer Drillkünste für die brandenburgische Armee rekrutiert wurden. Vielleicht will Kollegin W. ja auch nur etwas in dieser Richtung andeuten, aber die Wendung greift – vor allem, scheint's, bei Frauen unter Dreißig – rapide um sich. Vielleicht zeichnet sich hier aber auch zur Milleniumswende eine Regression in Sachen Trend ab, die einen kuriosen Hang zum preußisch-wilhelminischen Kasernenhofton von anno dunnemals verrät. Aus den Hip- und Triphopgewohnten Mündern 25jähriger demnächst ein saftiges „Kreuzbombenelement!“ oder ein zackiges „Tolle Sache, das!“ zu hören, wird zumindest mich nicht wundern. Besser als ein Revival infantiler 50er-Jahre-Exklamate à la „Dufte“ und „Knorke“ deucht mich das allemal. Und ich sehe schon mit klammheimlicher Freude einem Kneipengespräch zweier – noch fiktiver – junger Herren entgegen, die sich über ihre Anbaggererfolge austauschen. Das stelle ich mir etwa so vor: „Gestern abend kolossales Weib gesehen. Nachgestiegen. Kapitale Abfuhr geholt.“ – „Mißliche Sache, das.“

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