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■ H.G. HolleinMaß für Maß

Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Freundin, die es nicht so genau nimmt. Das ist bei H. keine Frage des Charakters, es gebricht ihr eben an jeglicher Grundvorstellung über Raum und Zeit. Als ich ihr unlängst unser neues Handy erläuterte und beiläufig auf die Stand-by-Zeit von 250 Stunden verwies, fragte H. beeindruckt: „Ja, wieviel Tage sind das denn?“ Wer H. nicht kennt, kommt über solche Fragen schon mal ins Grübeln. Offenbar ist aber nicht nur H. mit einer so vorbildlichen Wissbegier begabt. Bei anderer Gelegenheit erzählte M., ein Kollege der Gefährtin, Anekdötchen aus seinem Berufsalltag, als bei der taz ein Anzeigenmillimeter noch eine gute Mark kostete. Eine Anruferin habe das einmal genau wissen wollen und gefragt: „Wie hoch ist denn bei euch der Millimeter?“ M. beschied bündig: „Bei der taz sind Millimeter nicht hoch, sondern breit.“ Das leuchtete auch H. durchaus ein, die allerdings skeptisch nachschob, dass ihr die Millimeter bei der Bild „irgendwie größer“ vorkämen. Als H. uns das erste Mal besuchte, ergab sich die Notwendigkeit, ihr den Weg vom Bahnhof zu unserer Wohnung zu erläutern. H. kommt aus dem Bergischen Land, aus dem Neandertal, um genau zu sein. Dort rechnet man bis heute offenbar in den Kategorien „nicht so weit – weit – ganz weit“. Am Ende eines längeren Telefonates entschloss ich mich, H. lieber vom Bahnhof abzuholen. Die Gefährtin hatte mich darauf hingewiesen, dass es sich als klug erweisen könne, den angekündigten Zug nicht als einzig mögliche Option ins Auge zu fassen. So wartete ich also noch ein Weilchen, und in der Tat hatte H. den Zug verpaßt. Dass der Zug, in dem sie dann – ich bin versucht zu sagen – zufällig doch saß, eine halbe Stunde Verspätung hatte und auf einem anderen als dem vorgesehenen Gleis einfuhr, mag anderen als rational erklärbare Akkumulation unwägbarer Umstände erscheinen. Mir nicht.

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