■ H.G. Hollein: Durchgeplant
Die Frau, mit der ich lebe, ist Perfektionistin. Vor allem, wenn es darum geht, unseren Urlaub vorzubereiten. Am Anfang steht eine lange Liste. Der Dinge, die ich „ja schon mal besorgen“ kann. Ein Kurzwörterbuch der jeweiligen Landesprache etwa. Da ich in den Augen der Gefährtin als sprachbegabt gelte, wird es mir regelmäßig als Bockigkeit ausgelegt, falls ich es nicht binnen drei Wochen im Neu-Griechischen bis zur Konversationsreife bringe. Also tue ich lieber mein Bestes, und Gott sei Dank kann ich der Gefährtin im Notfall ja auch viel erzählen. Durchaus kniffliger ist da schon der Erwerb von prä- und postbronzierenden Sonnenölen und -lotionen. Ich denke da eher ökonomisch. Ein Mix aus den angebrochenen Tuben von vor drei Jahren tut es meiner Ansicht nach allemal. Soll die Gefährtin am Strand ruhig ein bisschen ranzig riechen, das hält auf jeden Fall die ortsüblichen Papagalli fern. Nur weiß die Gefährtin das auch und pflegt darum in den Tiefen unserer Koffer heimlich Lockstoff-Depots anzulegen. A propos Koffer. Die Gefährtin hat mir nahegelegt, doch lieber einen Seesack anzuschaffen: „Den kannst du besser tragen, falls wir mal nicht gleich ein Taxi finden.“ Soviel Fürsorge rührt. Unerlässlich sind zudem auch ausreichende Mengen an Vitamintabletten, Mückenstiften und Abführmitteln. Dagegen wäre im Prinzip auch nichts einzuwenden, nur dass Albert Schweitzer bei seinem Aufbruch in den Busch im Gegensatz zu mir eine Trägerkolonne zur Verfügung hatte. Nimmer endenden Dank schulde ich in diesem Zusammenhang dem Erfinder des Taschenbuchs. Den Lesehunger der Gefährtin durch mitgeschleppte Hardcover-Ausgaben zu stillen, würde selbst meine lastenerprobte Physis übersteigen. Die rituelle Frage am Vorabend der Abreise, ob wir noch etwas vergessen hätten, erlaube ich mir übrigens jedes Mal kalten Blutes mit Nein zu beantworten.
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