■ H.G. Hollein: Grünes Gold
Die Frau, mit der ich lebe, will, dass ich was werde. Würdig eines Epithetons sozusagen. „Medienzar“, „Aktienmogul“ oder ähnlich VIP-trächtiges schwebt der Gefährtin vor. Ich habe da auch schon was im Auge: „Gurkenkönig“. Seit ich vergangenen Samstag an einem Marktstand im Mercado auf mein Begehr „Eine Salatgurke bitte“ die lapidare Antwort „2 Euro 49“ erhielt, weiß ich, wie die großen Vermögen dieser Welt entstanden sind. Knapp fünf ausgediente Mark für ein bisschen Wasser im grünen Mantel – da kann man nicht meckern. Zumal die Gewinnspannen horrend sind. Bei Minimal war so ein grüner Schwengel immerhin schon für 1 Euro 79 zu haben, bei Toom gar nur für 1 Euro 49. Da ist für den gewitzten Zwischenhändler ordentlich was drin. Zunächst einmal gilt es, sich die Verfügbarkeit über eine ausreichende Menge der begehrten Handelsware zu sichern. Allerdings hätte die Gefährtin vermutlich etwas dagegen, dass ich unser Nestchen in ein Gurkenlager verwandele. Aber wozu sich mit dem lästigen Handling der Hardware belasten, wo es doch das Institut des Giro-Verkehrs gibt. Ich reserviere mir einfach bei Toom eine Palette für 1,49 das Stück, rufe den Grünhöker im Mercado an und sage ihm, er könne sich das Zeug gegen Überweisung von, sagen wir, 1,99 pro Einheit bei Toom abholen. Macht immerhin einen satten halben Euro pro Gurke. Anfallende Kosten: 2 Telefoneinheiten. Bei einer – zu erwartenden – schnellen Expansion meiner Aktivitäten als Gurkenbroker steht natürlich als nächstes die Einrichtung eines Callcenters an. Man kann ja schließlich nicht alles selber machen. Andererseits kämen damit so unternehmerfeindliche Dinge wie Personalkosten und Betriebsrat auf mich zu. Aber auch dafür gibt es eine Lösung. Bevor ich in den Unternehmensverflechtungen meines Gurkenimperiums versinke, lasse ich mich einfach von einem Lebensmittelriesen aus dem Markt kaufen. Ich sehe schon die Schlagzeile: „Gefürchteter Gurkenmonopolist zieht sich zurück!“ Misstrauisch macht mich nur, dass darauf noch keiner gekommen ist.
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