HERMANN JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD : Gott sei Dank gibt’s Mama
Wer kein Girokonto hat, ist in diesem Land aufgeschmissen. Der Mann am Telefon aber ist zäh geblieben, und am Ende hat’s doch noch geklappt. Allerdings mit Hilfe seiner Mutter
Er hat kein Glück gehabt mit seiner Beziehung: Sie ist kaputt gegangen, und er krachend pleite. Immerhin aber war der Zuschauer, der an jenem Tag beim „ARD-Morgenmagazin“ anrief, um mich um Rat zu fragen, klug genug, Privatinsolvenz zu beantragen.
Privatinsolvenz bedeutet, er kann die kommenden sechs Jahre nur über eine geringe Summe Geldes verfügen. Den Rest von Vermögen und Einkommen muss er abgeben – ein Treuhänder wird es an seine Gläubiger verteilen – und nach sechs Jahren werden ihm die restlichen Schulden erlassen.
Doch dann tauchte für ihn ein zusätzliches Problem auf. Auch der Saldo auf seinem Girokonto gehört zur Insolvenzmasse, genauer gesagt: seine 3.000 Euro Miese. Die Volksbank hat es gesperrt, ein neues Konto will sie ihm nicht geben, auch keins auf Guthabenbasis. Solch ein Guthabenkonto könnte er nicht überziehen, aber er hätte immerhin noch eines, um Miete und Versicherung zu überweisen. Der Arbeitgeber kann den Lohn und Vater Staat Kindergeld und Hilfen überweisen.
Seit Jahren versprechen die Banken, dass bei ihnen jeder so ein Guthabenkonto bekommt – wenn er nicht gerade die Bank betrogen hat oder die Angestellte am Schalter bedroht. In der Praxis aber drücken sie sich, wie der Fall des Mannes aus dem Badischen zeigt. Er erzählte mir, die Volksbank-Mitarbeiterin habe erklärt, ihr Institut sei nicht verpflichtet, ihm ein Guthabenkonto einzurichten. Mit der gleichen Antwort habe man ihn bei der Sparkasse abgewimmelt.
Das Verhalten der Banken ist ein Ärgernis. Erstens, weil es Menschen in einer wirtschaftlich schwierigen Situation im Regen stehen lässt. Und zweitens, weil es die Steuerzahler, also uns alle, einen Haufen Geld kostet. Ohne Girokonto kann man heute praktisch nicht existieren: Die Betroffenen können keine Daueraufträge für Miete, Strom und Telefon erteilen, und häufig verlangen auch öffentliche Stellen einen Überweisungsbeleg. Für Barüberweisungen aber berechnen die Geldinstitute heftige Gebühren.
Der ehemalige Bundesrichter und Ombudsmann der Kunden beim Bankenverband, Karl-Dietrich Bundschuh, hat schon vor Jahren von einem Menschenrecht auf ein Girokonto gesprochen. Er hat dem Gesetzgeber empfohlen, den unwilligen Banken die Einrichtung eines solchen Kontos für jedermann einfach vorzuschreiben. In anderen EU-Staaten ist das längst üblich. Die Banken argumentieren, es brauche kein Gesetz. Im Zweifel bekomme jeder ein solches Konto auf Guthabenbasis – so wie der Mann am Telefon.
Der ganze Vorgang ist nicht nur ein unwürdiges Spiel mit armen Kunden, er schädigt auch die Steuerzahler. Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium haben ausgerechnet, dass die Bürger jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen müssen, weil Ämter Sozialleistungen an Anspruchsberechtigte bar auszahlen müssen, die kein Konto bekommen.
Anfang der Woche erreichte mich bei Finanztest eine E-Mail des Zuschauers: Die badische Beamtenbank – wie die Volksbank eine Genossenschaftsbank – habe sich erbarmt und ihm ein Girokonto eingerichtet. Auf Guthabenbasis, ohne Kredit- oder EC-Karte, aber immerhin: ein Konto.
Ich hatte ihm empfohlen, hartnäckig zu bleiben, auf die grundsätzliche Zusage der Banken zu verweisen und Verwandte und Freunde um Hilfe zu bitten. „Meine Mama hat’s möglich gemacht“, schrieb er, „und vielen Dank, dass Sie ein paar Tipps gegeben haben.“
■ Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest und taz-Aufsichtsrat Foto: Karsten Thielker