HEISSE BEINE : Arbeiter und Haare
Führende Feministinnen wie Charlotte Roche haben uns gesagt, wir sollen die Haare wachsen lassen. Sprießen soll es aus Beinen, Achseln und Muschi, über der Nasenwurzel, am Kinn, um die Brustwarzen herum. Am besten implantieren wir uns noch ein paar Haare auf den Rücken, dann sei die Emanzipation vollzogen, sagen sie.
Also, ganz ehrlich, schön ist das nicht. Und Schönheit hat nun mal ganz entscheidend mit Sozialisation zu tun. Und außerdem mit Nächstenliebe, das habe ich gestern früh gemerkt. Da war ich nämlich Schrippen holen. Und weil es neuerdings so warm ist, dass man schon vom Gähnen Schweißausbrüche bekommt, bin ich mit dem Fahrrad gefahren. Weil das weniger Kraft kostet als laufen. Außerdem hatte ich meine Bekleidung auf ein Minimum reduziert. Qualitativ, nicht quantitativ, aus Gründen des Anstands. Ich hatte jedoch nicht bedacht, dass man dünne weite Hosen beim Fahrradfahren bis zum Anschlag hochkrempeln muss, damit sie nicht in die Kette kommen. Vor dem Bäcker saßen ein halbes Dutzend Bauarbeiter bei der Pause. Sie redeten nicht viel, aber als ich ankam, verstummte das Gespräch völlig.
Nun weiß ja jeder, dass es nur drei Gründe gibt, freiwillig Bauarbeiter zu werden: man ist entweder Spanner oder Exhibitionist und meistens beides. Ich finde das in Ordnung. Schließlich braucht jeder von uns eine Motivation, um zu arbeiten. Beim einen ist es Geld, beim anderen Selbstverwirklichung und bei Bauarbeitern ist es die sozialverträgliche Befriedigung einer geächteten sexuellen Neigung.
Doch die freudigen Blicke der Arbeiter („Frauenbeine!“) wandten sich enttäuscht ab, als ich vor ihnen vom Rad stieg („Männerbeine...“). Es tut mir leid! Ich werde in Zukunft darauf achten, mir täglich die Beine zu rasieren, und versuchen, meiner sozialen Verantwortung als Frau gerecht zu werden. Eure Eva Herman. LEA STREISAND