HEIKE HOLDINGHAUSEN ÜBER DEN AUSBAU DER ENERGIENETZE : Der Schnellkurs des Ministers
Anlässlich der Katastrophe von Fukushima versucht die Bundesregierung verzweifelt, sich grüne Strümpfe anzuziehen. Da rächt es sich, dass vor allem die FDP seit Jahren auf Kompetenz in Sachen Umweltpolitik verzichtet hat. Nun muss sie einen Schnellkurs absolvieren. Sichtbar wird das in den Plänen von Wirtschaftsminister Brüderle, die Energieleitungen auszubauen. Aber schon die Sprache in seinem vorgestellten Eckpunktepapier ist verräterisch: Der forcierte Umbau der Energieversorgung auf regenerative Energien bedeute eine „Zäsur“ für den Ausbau der Netzinfrastruktur.
Nun lässt sich das Gerede von einer Zäsur auf zweierlei Weise deuten. Erstens: Brüderle meint es ernst. Das hieße, dass er in den vergangenen Jahren die Debatten um die Herausforderungen der Energiewende nicht ernst genommen und nicht mitbekommen hat, dass die Wende längst begonnen hat. Der Ausbau des Energienetzes erfordert keinen Einschnitt, sondern ist ein stetiger Prozess, der allerdings neue Rahmenbedingungen braucht. Die Umweltverbände, die den Zielkonflikt zwischen klimafreundlicher Energieversorgung und Natur- und Landschaftsschutz ausgiebig diskutiert haben, schlagen vor: Mehr Transparenz bei den Planungen, mehr Bürgerbeteiligung. Doch in diesen Fragen bleibt Brüderle wolkig bis widersprüchlich. Zwar sollen die Bürger früher in den Leitungsbau einbezogen werden. Doch zugleich sollen die Gemeinden finanziell entschädigt werden für Beeinträchtigungen, die sie im Interesse des Leitungsbaus hinnehmen müssen. Von einer Präferenz von Erdkabeln, die nachweislich für mehr Akzeptanz sorgen würden, ist in den Eckpunkten auch nicht die Rede.
Vielleicht bleibt Brüderle aber so wolkig, weil er – zweite Interpretationsmöglichkeit – es so ernst gar nicht meint mit dem Einstieg in die erneuerbaren Energien. Dann hätte sein Eckpunktepapier die Qualität von schalen Sonntagsreden. Und konkret müssen die ja nicht werden.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 11